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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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Koyote auf, stürzte sich auf ihn, stieß ihn mit aller Kraft zurück und schrie: »Stirb!« Er trampelte mit den Füßen auf dem Toten herum und schrie: »Warum willst du zurück ins Leben? Stirb! Stirb!«
    Niemand sagte ein Wort. Der Koyote setzte sich wieder. Er behielt das Grab auch jetzt noch im Auge. Aber es regte sich nichts mehr. Der Mann war nun wirklich tot. Da rief der Koyote allen zu: »Auf! Weint und schreit! Der Mann ist tot!
    Wir werden ihn nie wiedersehen. Vorwärts! Her mit dem Trauerpech! Vorwärts! Schmiert euch Pech ins Gesicht!« Alle gehorchten ihm. Als die Menschen die Totentrauer beendet hatten, sagten sie: »Jetzt wollen wir Hirsche jagen.« Des Koyoten Sohn, ein sehr junger Mann, ging mit auf die Jagd. Da sagten die anderen Jäger: »Wir wollen den Koyoten auch einmal zum Weinen bringen! Was fangen wir dazu an?« Sie gingen auf einem Pfad, der nach Osten führte. Da sahen sie in der Ferne eine Gelbfichte. Die Spur der Jäger führte unmittelbar an ihr vorbei. Sie beschlossen, eine
    Klapperschlange zu machen. Das geschah auch. Die
    Klapperschlange ringelte sich um einen Baum. Sie nahmen sie ab, legten sie neben die Gelbfichte und schärften ihr genau ein, was sie tun sollte. Da kam der junge Koyote auch schon auf dem Pfad von Westen her. Sobald er in der Nähe der
    Klapperschlange war, sprang sie auf ihn und ringelte sich um seine Beine. Er schrie, aber die Schlange zog ihn nieder und biß ihn, daß er starb. Als sie den alten Koyoten wiedersahen, sagten die Menschen zu ihm: »Dein Sohn ist tot.« – »Wo?« –
    »Er liegt im Osten, eine Klapperschlange hat ihn gebissen und getötet.« Der Koyote brach in Tränen aus und rief: »Das kann nicht sein!« Er sprang hin und her, streute sich Staub auf sein Gesicht und benahm sich wie ein Wahnsinniger. Die
    Menschen brachten inzwischen den toten jungen Koyoten nach Hause.
    Der Koyote tanzte seinen Trauertanz und sagte dabei zur Eidechse: »Wehe, wehe! Wolltest du nicht die Menschen wieder auferstehen lassen, wenn sie gestorben sind? Nun gib meinem Sohn das Leben wieder! Ich mag nicht soviel weinen!
    Gib ihm das Leben zurück!« Das Waldkaninchen machte nur:
    »Hm! Hm!« Die Eidechse aber erwiderte: »Weine nur weine!
    Prahltest du nicht einmal damit, daß du gerne weinen möchtest? Laß deine Tränen fließen! Schmiere dir weiße Tonerde ins Gesicht! Sagtest du nicht einmal, du würdest weinen, wenn dein Bruder stirbt? Weine nur, weine!«

    Die Wiedergeburten des Winnebego-Schamanen

    SCHAMANEN SIND Zauberer. Wenn sie es wollen, dann verläßt die Seele den Körper und steigt in höhere Welten auf, oder sie macht den Leib frei für einen Geist, der ihn besessen macht. In der Ekstase dienen ihnen viele kleine Geister, sie sehen in die Zukunft, sie finden seltsame Heilmittel. Wilde Gesänge und harte Trommelschläge geben den Rhythmus an für ihre
    magischen Tänze. Am Westufer des Michigansees sitzen die Winnebego, ein Stamm der Siouxindianer. Einer ihrer
    Schamanen erzählt:
    Vor mehreren Menschenaltern lebte mein Stamm an einem großen See. Wir waren nicht viele. Ich zählte nur zwanzig Lager. Ich war schon ein großer Junge, aber noch zu klein, um eine Flinte zu handhaben. Da griff uns eines Tages eine fremde Horde an, die auf dem Kriegspfad war. Sie machte uns alle nieder. Ich wußte nicht, daß ich tot war. Ich lief hin und her wie immer. Dabei fand ich die Leichen unserer Leute auf dem Boden liegen. Auch meine Leiche war darunter. Und niemand kam, uns zu beerdigen. Da lagen wir und verwesten. Mein Geist wurde weit weggetragen, an den Ort, an dem die Sonne untergeht. Ich lebte dort zusammen mit einem alten Ehepaar.
    Es ist ein sehr schöner, ein außergewöhnlich schöner Ort. Alle, die dort wohnen, haben es sehr gut. Will man von dort aus irgendwohin gehen, dann muß man sich nur dorthin wünschen, und schon ist man da. Das ist alles, was man in diesem Falle tun muß. So dachte ich eines Tages daran, daß ich wieder auf die Erde zurück möchte. Da sprach der alte Mann zu mir:
    »Sagtest du nicht, daß du wieder auf die Erde zurückkehren willst?« Dabei hatte ich kein Wort gesprochen. Aber er kannte meinen Wunsch. Er sagte zu mir: »Du kannst gehen, aber du mußt zuerst den Häuptling fragen.« Ich ging also zum Häuptling des Dorfes und teilte ihm mit, was ich wollte. Er sagte zu mir: »Geh nur und räche dich an den Leuten, die dich und die Deinen getötet haben.«
    So wurde ich denn auf die Erde gebracht. Ich ging nicht in den Leib einer

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