Das Hausbuch der Legenden
Geschlecht zu nehmen! Fürchte dich nicht vor dem Dämon. Wenn du das Brautgemach betrittst, nimm Kohle vom Rauchwerk und lege darauf von dem Herz und von der Leber des Fisches und räuchere damit! Der Dämon wird fliehen und in Ewigkeit nicht wiederkommen. Wenn du aber zu ihr gehst, dann erhebe dich mit ihr und rufe mit ihr den barmherzigen Gott an. Er wird euch erlösen und sich eurer erbarmen. Fürchte dich nicht, sie ist von Anfang an dazu bestimmt, dein Weib zu werden, sie wird mit dir ziehen, und ihr werdet zusammen Kinder haben.« Als Tobias das hörte, liebte er das Mädchen, und seine Seele hing an ihr. Als sie das Haus des Raguel betraten, kam Sarah ihnen entgegen, begrüßte sie und führte sie hinein. Der Herr des Hauses aber sagte zu seinem Weibe Edna: »Wie sieht der Jüngling doch meinem Vetter Tobit ähnlich!« Dann fragte er die beiden: »Wo kommt ihr her, Brüder?« Sie erwiderten: »Wir sind Nachkommen Naphthalis, die verbannt in Ninive leben.« Raguel fragte weiter: »Kennt ihr unseren Bruder Tobit?« Als sie die Frage bejahten und er erfuhr, daß Tobias der Sohn des Tobit war, sprang Raguel auf und küßte ihn vor Freude. Er segnete seinen Neffen, und als sie hörten, daß Tobit das Augenlicht verloren habe, waren alle betrübt und weinten. Sie schlachteten zum Willkomm einen Bock und trugen viele Gerichte auf. Nach dem Essen bat Tobias den Engel, für ihn um Sarah anzuhalten. Raguel aber sagte zu dem Jüngling: »Iß und trink und laß dir’s wohl sein!
Ich habe nichts dagegen, daß du mein Kind nimmst. Ich muß dir aber die Wahrheit sagen: ich habe mein Kind sieben Männern gegeben, und jeder, der zu ihr einging, starb noch in derselben Nacht. Aber jetzt iß und trink!« Tobias erwiderte:
»Ich nehme nichts zu mir, ehe ihr sie mir nicht feierlich zugeführt habt.« Darauf sagte Raguel: »So nimm sie von nun an hin nach dem Gesetz. Sie gehöre dir. Der barmherzige Gott segne euch.« Dann rief er seine Tochter Sarah, ergriff ihre Hand, gab sie Tobias zum Weibe und sprach: »Empfange sie hiermit nach dem Gesetz des Mose und bringe sie zu deinem Vater!« Und er segnete sie, schrieb einen Ehevertrag und siegelte ihn. Dann erst fingen sie an zu speisen. Nach Tisch gingen Mutter und Tochter in das Brautgemach. Sarah weinte.
Edna aber fing die Tränen des Mädchens auf und sprach: »Sei mutig, Kind! Der Herr des Himmels und der Erde gebe dir Freude und nehme dir deine Trauer! Sei mutig, meine
Tochter!« Als Tobias eintrat, nahm er Kohle vom
Räucherwerk, legte das Herz und die Leber des Fisches darauf und räucherte. Diesen Geruch ertrug der Dämon nicht. Er floh bis ins obere Ägypten, und der Engel band ihn dort fest.
Sobald die Brautleute eingeschlossen und allein waren, erhob sich Tobias vom Lager und forderte Sarah auf, mit ihm zusammen um den Segen Gottes zu beten. Er schloß sein langes Gebet mit den Worten: »Befiehl, daß ich Gnade finden und alt werden möge mit ihr!« Und Sarah sprach mit ihm das
»Amen«. Dann schliefen sie diese Nacht zusammen.
Raguel aber stand noch einmal auf, ging hinaus und grub ein Grab; denn er zweifelte nicht, daß auch dieser sterben werde.
Als er am frühen Morgen in sein Haus zurückkam, schickten sie eine Magd, die nachsehen sollte, ob Tobias noch lebe. Als sie aber meldete, daß er lebe, pries Raguel Gott, den Herrn.
Die Knechte schaufelten das Grab wieder zu, und der
Hausvater richtete eine vierzehntägige Hochzeit aus. Er vermachte Tobias die Hälfte seiner Besitztümer und ließ ihn nicht fort, um den Auftrag seines Vaters zu erfüllen. Da bat Tobias seinen Reisegefährten, für ihn nach Rages zu reiten, um die Silbertalente zu holen. Er sollte auch Gabael zur Hochzeit mitbringen; denn: »Raguel hat mich beschworen, nicht fortzuziehen. Mein Vater aber zählt die Tage, und wenn ich mich lange versäume, wird er sich große Sorgen machen.«
Und Raphael ritt mit einem Sklaven und zwei Kamelen, holte die Beutel mit ihren Siegeln und brachte Gabael mit auf die Hochzeit. In Ninive aber zählte Tobit die Tage, und als die vorgesehene Reisezeit überschritten war, machte er sich Gedanken, was geschehen sein könnte. Sein Weib aber weinte und jammerte sehr. Inzwischen hatte Tobias alle Mühe, sich von Raguel zu lösen, der ihn für immer bei sich behalten wollte. Schließlich aber entließ ihn der Schwiegervater mit seinem Weib Sarah und mit der Hälfte seiner Güter, mit Sklaven, Vieh und Geld. Viele Segenswünsche begleiteten die Karawane. Vor Ninive
Weitere Kostenlose Bücher