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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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empfahl Raphael dem Tobias,
    vorauszueilen und die Eltern zu verständigen, auf daß das Haus für den Empfang bereitet sei. Sarah möge mit der Karawane nachkommen. Dann sagte er ihm, wie er dem Vater die
    Fischgalle in die Augen streichen solle. Die beiden Männer eilten also voraus, nur der Hund des jungen Mannes lief mit ihnen. Anna hatte wie immer in der Tür Ausschau nach ihrem Sohn gehalten. Nun kam sie herbei, fiel ihm um den Hals und rief: »Ich habe dich jetzt wiedergesehen, Kind! Nun will ich sterben!« Tobit kam aus dem Haus und stieß sich an der Tür.
    Tobias aber lief ihm entgegen, nahm ihn in die Arme, strich ihm die Galle in die Augen und sagte nur: »Sei getrost, Vater!«
    Tobit aber rieb sich die Augen, weil ihn die Galle biß. Dabei lösten sich die weißen Häute, und er sah seinen Sohn und umarmte ihn. Sie priesen alle Gott und gingen mit doppelter Freude hinaus, die Schwiegertochter zu empfangen. Sie feierten noch einmal sieben Tage fröhliche Hochzeit. Als Tobit und Tobias den hilfreichen Reisegefährten zum Lohn die Hälfte von allem übergeben wollten, was sie auf dieser Reise gewonnen hatten, nahm Raphael sie beiseite und gab sich als Engel und Bote Gottes zu erkennen. Da erschraken sie sehr, fielen auf ihr Angesicht und fürchteten sich. Raphael aber segnete sie, und als sie aufstanden, sahen sie ihn nicht mehr.
    Sie aber priesen Gott.

    Legenden aus dem
    christlichen Bereich

    Marienlegenden

    Die Geburt Mariens

    JOACHIM WAR ein reicher Mann. In den »Geschichten der zwölf Stämme Israels« wird berichtet, daß er an hohen Festtagen Sühneopfer in den Tempel brachte, deren Größe das übliche Maß weit überschritt. Er dachte bei sich: »Was zuviel ist, mag dem ganzen Volk zugute kommen.« Als aber die Kinder Israel am Großen Tag des Herrn wieder einmal ihre Gaben brachten, trat ein gewisser Rubim dem Joachim in den Weg und sagte: »Du hast kein Anrecht, dein Opfer als erster darzubringen; denn du hast in Israel keine Nachkommenschaft gezeugt.« Das betrübte Joachim sehr. Er forschte nach und stellte fest, daß alle anderen Gerechten in Israel
    Nachkommenschaft hatten. Da kam ihm der Erzvater Abraham in den Sinn, dem der Herr noch in letzter Stunde einen Sohn gegeben hatte. Er zog ohne Abschied von seinem Weib in die Wüste, schlug sein Zelt auf und fastete vierzig Tage und vierzig Nächte.
    Sein Weib Anna aber klagte nun doppelt: sie beweinte ihre Kinderlosigkeit und den Verlust des Mannes. Eine der Mägde versuchte, die Trostlose aufzurichten. Schließlich legte sie ihre Trauerkleider ab, wusch sich, zog ihre Brautkleider an, ging in den Garten, setzte sich unter einen Lorbeerbaum, flehte den Herrn an und sprach: »Gott meiner Väter, erhöre mich! Segne mich, wie du den Leib Sarahs gesegnet hast, die Isaak gebar!«
    Als sie zum Himmel aufschaute, sah sie im Lorbeerbaum ein Sperlingsnest. Da stimmte sie wieder ihre Klageweise an. Und siehe, plötzlich stand ein Engel des Herrn vor ihr und sagte:
    »Anna! Der Herr hat deine Bitte erhört. Du wirst empfangen und gebären, und dein Same soll in aller Welt genannt werden!« Auch dem Joachim hatte ein Engel die gute Kunde gebracht. Da war er wieder ins Land hinabgezogen zu seinen Hirten. Er befahl ihnen: »Bringt mir zehn Lämmer, ohne Makel und Fehl! Sie sollen dem Herrn, meinem Gott,
    dargebracht werden. Und bringt mir zwölf zarte Kälber! Sie sind für die Priester und für die Ältesten bestimmt. Und hundert Ziegenböcke für das ganze Volk!« Und Joachim zog mit seinen Herden nach Hause. Anna wartete in der Tür des Hauses auf ihn, und als sie ihn kommen sah, lief sie ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und sagte: »Gott, der Herr, hat mich reich gesegnet. Siehe, die Witwe ist keine Witwe mehr, und die Kinderlose soll ein Kind gebären.« Annas Monate gingen vorüber, und als sie geboren hatte, fragte sie die Hebamme: »Was habe ich geboren?« – »Ein Mädchen.« Da sagte Anna: »Erhoben ist meine Seele an diesem Tag.« Und als die Zeit erfüllt war, wusch sie sich, gab dem Kind die Brust und nannte es Maria. Als ein Jahr um war, veranstaltete Joachim ein festliches Mahl, zu dem er die Priester und die Schriftgelehrten lud, die Ältesten und das ganze Volk Israel.
    Und alle segneten das Kind und wünschten ihm Glück und sagten ihm große Dinge voraus. Die Mutter aber nahm es an sich in ihr Schlafgemach, gab ihm die Brust und sang: »Dem Herrn, meinem Gott, singe ich ein Lied. Denn er hat mich gnädig heimgesucht. Er hat von mir

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