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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der andere Tod.‹
    Die Zeit des Magog ist gekommen, meine Brüder«, schloß der Abt. »Wie Sand am Meer haben die Völker die Stadt überfallen. Die Gerechten werden sich auf den Weg machen und den Leib Christi bis zum zerstörten Bollwerk tragen. Könnt Ihr bis zum Strand marschieren, meine Brüder?«
    Ein langes beifälliges Murmeln folgte. Zehn halbtote, wacklige Greise, die vom vielen Knien, Wachen, Fasten und Psalmodieren erschöpft waren, mystische Roboter, ahnten plötzlich die Möglichkeit eines Endes, das ihnen gleichsam als Befreiung und Sinn ihres langen Klosterlebens erschien. »Laßt uns marschieren, laßt uns marschieren«, meckerten sie. Die geistig Behinderten unter ihnen hatten vergessen, in welchem Jahrhundert sie lebten. Andere, die nachts auf Holzpritschen ihrer Zelte fröstelten, träumten von einem mitleidigen Gott, der sie in seine Arme nehmen würde. Marschieren, bis zum Ende marschieren! Bestürzt hob Dom Pinet den Kopf und versuchte klar zu denken.
    »Verrücktheit, Hochmut und Altersschwäche«, sagte er. »Man fordert Gott nicht heraus. Er hat nie ein Zeichen gegeben. Gott wird nicht antworten. Er hat noch nie derartig geantwortet. Es ist eine Torheit, sich solche Hirngespinste einzubilden. Schlimmstenfalls verratet ihr das Bild, das ihr euch von Gott gemacht habt. Was erwartet ihr denn? Die Masse aufhalten, indem ihr die Hostie schwingt? Sind es nicht die gleichen Illusionen wie damals, als die schwarze Pest den Bischof in seiner Kathedrale hinwegraffte, nachdem er sogar feierlich den Schutz Gottes angerufen hatte?«
    Er stotterte, als er diese Worte sprach. Er verkrampfte sich in seine Argumente, weil es ihm einfach unfaßbar schien, sich in eine solche Debatte einzulassen und sich mit abgestumpften Greisen auseinanderzusetzen, die sich wie dreijährige Kinder benahmen. Bald hätte er sich geschämt.
    »Seid ihr fertig, Bruder?« fragte der Abt.
    Dom Pinet senkte bedrückt den Kopf. Sicher war er fertig. Was hätte er bei dieser Mauer von Dummheit auch noch sagen sollen?
    »In diesem Fall«, fuhr der Abt fort, »werdet Ihr, da ihr der jüngste und stärkste unter uns seid, die Hostie bis zur Küste tragen. Ich glaube nicht, daß ich dazu die Kräfte habe, und unsere Brüder müssen alles aufbieten, um den langen Weg zurücklegen zu können. Wir haben Glück. Der Mond scheint. Er wird uns leuchten … Exaudi nos, Domine, erhöre uns, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, und schicke uns vom Himmel deinen heiligen Engel. Er soll Wächter, Stütze, Schützer und Verteidiger von allen sein, die mit ihm verbunden sind. Per Christum Dominum nostrum. Amen.«
    Draußen empfing sie eine tödliche Stille. Das kleine benachbarte Dorf unten im Tal, dessen Laternen gewöhnlich die ganze Nacht brannten, war völlig in Dunkel gehüllt. Kein Lichtstrahl drang mehr auf die Windungen der nahen Nationalstraße, auf welcher der Autoverkehr sonst nie verstummte. Man hörte auch die vertrauten Geräusche nicht mehr, die selbst zur Schlafenszeit zu erkennen gaben, daß das Leben keine Pausen kennt. Alles war wie ausgestorben.
    Zuerst kamen sie durch verlassene Dörfer. Es waren Winzerdörfer, die mit ihrer Ummauerung Festungen glichen. In Zeiten barbarischer Überfälle ergriff man Pike und Armbrust, und während die Sturmglocke läutete und die Frauen mit dem Pfarrer beteten, kämpften die Männer bis zum Sieg oder Tod. Jetzt waren die Enkel der Enkel geflohen. Abgesehen von den ewig vererbten Weinbergen haben die Einwohner nur einen Wald von Antennen hinterlassen, sowie drei Pakete Kindernahrung, zwei Mischgetränke und eine Wanderausstellung mit satirischen Zeichnungen der Zeitung »La Grenouille« im Jugend- und Kulturhaus, dem einzigen Gebäude übrigens, bei dem die Bevölkerung vergessen hatte, die Türen und Läden zu schließen. Ein Beweis, daß sie sich dort nicht viel aufgehalten und es leichten Herzens aufgegeben hatte oder es mehr oder weniger als Teil des Gesamtverlustes verschmerzte.
    Auf dem Transparent, das auf der Vorderseite des Hauses aufgehängt war, konnte man lesen: »Wir sind alle Menschen vom Ganges.« Mit so etwas beschäftigen sich die Kinder unseres Jahrhunderts, statt mit Bällen zu spielen oder Puppen anzuziehen oder Pilze zu sammeln! Und gleich darunter stand auf einem andern Transparent: »Befreit Fontgembar! Wir haben genug von den kapitalistischen Mönchen!« Diese herzigen Kinder … Die Familienväter haben es

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