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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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glaublich. Sie erteilten den Segen! Es war die übliche Zeremonie bei Sterbenden oder schon Toten. Die Gnade Gottes ließ so etwas zu, bevor die neuen Priester auf den Plan traten.
    »Ich taufe Dich, Peter, Paul usw. im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes …« Nichts leichter als dies. Zehn Sekunden genügen. Das taten auch diese armen, einfältigen Greise, die plötzlich von der Gnade erleuchtet wurden, denn wie anders soll man diesen Rückfall in einem Zeitpunkt erklären, wo alles zu Ende ging. Zehn Knirpse vom Ganges, verblödet und dumm, im Mittelpunkt eines Elends und nie darüber hinausgekommen, stiegen an diesem Morgen zum Himmel empor, und sicher ertönte ein triumphierender Trompetenlärm, während Millionen Auserwählter sanft ihre Willkommensgrüße diesen unerwarteten Säumigen entgegenriefen. Wenn es im Paradies einen Portier gibt, dann lächelte er wahrscheinlich in seinen Bart, während er gleichzeitig zum Schein seine zornigen Augen rollte. »Wer hatte euch denn solche Vornamen angehängt? Kenne ich nicht, Batitien! Pedraton! Hm! Hm! Kommt trotzdem rein …« Bei ihrem müden Gedächtnis und in der Bestürzung des Augenblicks hatten die alten Mönche hervorgekramt, was ihnen gerade einfiel. Wenn es heute auf der Welt römische Katholiken und Priester gibt, die noch an den Triumph der Taufe glauben, so mögen sie nicht zögern! Pedraton und Batitien sind gute Adressen! Schutz garantiert! Die beiden Mißgestalten, die schön wie Götter und intelligent wie der Geist geworden sind, sitzen zur Linken des ewigen Vaters, der mit ihren heiligen Marotten ein Nachsehen hat. Ora pro nobis …
    Zehn Sekunden hat es gedauert. Der Tod hat im Vorbeigehen Mönche und Knirpse mitgenommen. Nachdem die Horde über ihre bunt durcheinanderliegenden Körper hinweggerannt war, sah man auf dem geröteten Strand nur noch eine Hand oder einen nackten Fuß, die Spitze eines Kinns oder einer Nase auftauchen und nur selten ein Gesicht, das undeutlich unter dem Sand wie eine eingebundene Mumie erkennbar war. Der Vorstoß der ersten Reihen der Einwanderer hatte die alten Mönche überrascht, die bei den unglücklichen Mißgeburten knieten. Sie lagen über ihren im Sterben befindlichen Taufanwärtern, Mund an Mund, als ob sich ihre letzten Atemzüge vereinigen würden. Die blinde Menge hatte sie einfach zertrampelt, denn diese Masse machte sich sicher über nichts Gedanken. Sie sah nur die Häuser, verschlang mit gierigen Augen die grünen Bäume und die vom Wind zerknickten Blumen, betastete mit unzähligen Händen die ersten Geländer am Strand, kletterte darüber, zog durch die Salons, kam aus andern Türen wieder heraus, und übergoß in dichten Scharen die Straßen. Dabei war es nur die erste Welle, die über die zwanzig Märtyrerkörper hinweggeströmt war, denn hinten, am Fuß der Schiffe, hörten die Windungen der Menschenschlange nicht auf, sich zusammenzurollen und erneut vorzustoßen.
    Seltsam genug bei diesen fünf Minuten des kürzesten Tages, aber fast selbstverständlich, wenn man die Sturmzeichen erkannt hätte, war, daß die Menge sich keine Gedanken machte, daß dieses Land, das sie besetzte, andern gehören könnte. Gewiß, es war menschenleer und bot innen Widerstand. Aber am Strand hatten sich immerhin, wenn auch uns unterschiedlichen Beweggründen, die Mönche, die Soldaten des Obersten Dragasès und verhältnismäßig zahlreiche Idealisten aufgehalten, die der Auflösung der Truppen des Panama Rangers nicht gefolgt waren. Außerdem trieb sich noch ein entwichener Mörder herum, dem wir später nochmals begegnen werden. Unbeschadet hiervon konnte sich jedoch die Menge ungehindert bewegen.
    Wenn sie auf ihrem Weg einige Körper zertrampelte, so hatte sie diese sicher nicht bemerkt. Sie zermalmte sie einfach, weil sie unter ihren Füßen lagen. Ob Mißgeburten vom Ganges oder Mönche aus dem Westen, die Menge machte keinen Unterschied. Sie war jetzt die herr sehende Rasse. Eine andere gab es nicht. Die Mönche von Fontgembar kamen auch nicht um, weil sie von weißer Hautfarbe waren, sondern nur, weil sie den Weg versperrt hatten. Dies hat mit den Toten von Gata nichts zu tun. Jene waren Fremde, die der weißen Rasse zugehörten und die das herumirrende Volk einfach abgestoßen hatte. In diesem Augenblick hatte sich die Fremdenfeindlichkeit der Hungerflotte zu der Vorstellung verdichtet, ihre Menschen würden überflüssig werden, eine Auflassung, wie sie auch bei der Fremdenfeindlichkeit der

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