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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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übrige Bevölkerung aussehen und überdies nur aus Weißen bestehen, so sind sie eben nur der Gegensatz zur universalen Rassenvermischung und zur heiligen Solidarität, die sie ablehnen. Ihre Chancen kann jeder abschätzen …
    Ganz anders muß man das Verschwinden der Kumpels des Panama Rangers in der Einwanderermasse beurteilen. Drehen wir das Rad der Ereignisse kurz zurück. Die Menschenmenge war eben über die ersten Geländer der Villen am Strand gestiegen. Dragasès mit seinem Lastwagen rollte schon auf der kurvenreichen Straße bergauf zum Dorf. Nachdem die erste Überraschung vorbei war und die erträumte Begegnung sich ganz anders als vorgesehen entwickelt hatte, kamen aus den Häusern und Gärten alle heraus, die das Ziel ihrer Reise ersehnt hatten. Sie sind dann zur Küste gegangen, wo die Armada vom Ganges lag, um die Menschen zu empfangen und bei den ersten Schritten behilflich zu sein. Diese Geste müssen sie tun. Damit geht endlich ihr Wunsch in Erfüllung. Das Leben ist schön und voll Brüderlichkeit. Sicher spricht man nicht die gleiche Sprache, aber die Blicke werden sich ganz allein verstehen. Man wird sich die Hände reichen und sich gegenseitig umarmen. Vielleicht wird man sich da und dort einen Klaps auf den Rücken geben.
    Panama Ranger warf seine Waffen weg. Er gab das Willkommenszeichen. Nachdem sie in einigen hundert Meter Entfernung einen verlassenen Supermarkt voll ausgerüstet entdeckt hatten, machte Panama Ranger den Zugang durch Baken kenntlich. Auf dem Bürgersteig und an jeder Straßenecke warteten Kumpels. Schon schwenkten sie fröhlich ihre Arme wie Verkehrspolizisten, die plötzlich von ihrem Beruf begeistert sind. In den Häusern trafen Mädchen die letzten Vorbereitungen. Endlich trifft der begehrte Gast ein. Einige füllten große Kannen mit warmem Kaffee. Lydia hat weiße Laken aus den Fenstern gehängt, denn weiß ist die Farbe des Friedens. Die Luft wurde zwar immer mehr verpestet, aber die Dagebliebenen merkten es nicht mehr. Diesmal hatten sie sich übertroffen. Gitarren wurden zur Hand genommen. Viele sangen »Ich werde euch mein Reich schenken, denn die Zeit der tausend Jahre vollendet sich, es vollendet sich die Zeit der tausend Jahre …«
    Sie ist schon vollendet. In der dicht herangerückten Menschenmenge suchte Panama Ranger ein Gesicht, dem er zulächeln konnte, einen Blick der Freundschaft, den er erwidern konnte. Aber kein solcher Blick traf den seinigen, denn niemand schien ihn gesehen zu haben. Fassungslos streckte er dieser Mauer aus Fleisch seine Hand entgegen, in der Erwartung, daß eine andere die seinige ergreifen und drücken werde. Es wäre eine Dankesgeste gewesen und hätte genügt, was auch hinterher kommen mochte. Aber nichts dergleichen geschah. Einige Sekunden später wurde auch er von der Menschenmasse davongetragen. Er mußte sich freikämpfen, um atmen zu können. In dem Ringen der schweißtriefenden Körper gebrauchte jeder die Ellbogen und schlug wild um sich, um nur rasch vorwärtszukommen, dort hinzurennen, wo Milch und Honig fließt, zu den fischreichen Flüssen und zu den überquellenden fruchtbaren Feldern.
    Von allen Seiten bedrängt, sank Panama Ranger auf den Boden. Um ihn herum ein Gewimmel von schwarzen Beinen. Aber er war nicht allein. Noch jemand kämpfte auf der Erde. Es war eine alte Frau, die immer wieder mit Ellbogen und Fußtritten sich freizumachen versuchte. Jetzt wurde Panama Ranger von wildem Zorn gepackt. Seine Fäuste arbeiteten schnell, so daß in der Masse der Körper um ihn herum ein Luftloch entstand, aus dem er atemlos auftauchte und die alte Frau hinter sich herzog, als ob er sie aus dem Wasser heben würde. Ganz mechanisch hatte er sie gerettet und begriffen, daß dies seine letzte Chance war, in dieser wahnsinnigen Menge noch einen Freund zu finden. Sachte hielt er die alte Frau in seinen Armen. Dieses magere Paket aus hagerem Fleisch und Knochen war noch alles, was ihn an das Leben fesselte und an die Illusion, die er sich daraus gemacht hatte. Immerhin hat er den Kern der Sache erfaßt: »Ich habe nichts gegeben. Ich kann nichts geben. Sie brauchen mich nicht. Sie nehmen einfach.«
    Die Menschenflut hatte sich indessen geteilt. Sie ergoß sich gleichzeitig in mehrere Straßen, teilte sich an jeder Kreuzung nochmals, so daß der Druck um Panama Ranger herum endlich aufhörte. Er konnte sich jetzt frei bewegen und der Richtung der Menschenmenge folgen. Sachte stellte er seine alte Freundin auf die Beine und

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