Das Heerlager der Heiligen
sagte zu ihr: »So jetzt geht‘s. Du siehst, wir haben es geschafft.« Er erntete eine Art Lächeln. Von nun an wird er sie nicht mehr verlassen. Später, wenn die Meute in die Häuser eindringt und sich um die geplünderten Läden balgt, wenn sie den Supermarkt in Unkenntnis des aufgestapelten Reichtums umkrempelt, wird Panama Ranger es wie die andern machen und auf seine Art plündern. Er wird mit unbekannten Schätzen einen Vorrat anlegen und am Abend, wenn er zufällig in einer Scheune oder einem Salon eine Unterkunft gefunden hat, wird er vor der alten Freundin seinen Sack öffnen und sie wird ebenso geblendet sein und sein Vermögen zählen: Kekspakete, Büchsenschinken, Nickeltaschenmesser mit sechs Klingen, Abendschuhe, Zigaretten, Schokoladetafeln, Uhren, Jagdgarnituren, eine elektrische Lampe und was sonst noch.
Als es soweit war, tastete die Alte alles mit ihren Fingern ab oder schnüffelte, und wenn sie den Gebrauch der Sachen begriffen hatte, lachte sie. Auch er lachte. Zusammen entdeckten sie das Paradies. Einige Tage zuvor sagte er noch, als er die Autobahngebührenstation der A 7 besetzt hielt: »Wenn man die Revolution in Gang gebracht hat, hat man zunächst eine herrliche Zeit vor sich.« Aber er dachte jetzt nicht an den zurückgelegten Weg und an den schwindelerregenden Sturz. Vielleicht nur an seine wenigen gesammelten Schätze. Diese Krümel des Wohlstands. Man hat die schöne Maschine kaputt gemacht, und was blieb übrig? Sie wird nie wieder repariert werden. Vielleicht wurde ihm dies irgendwie bewußt. Aber wen kümmert es. Die kauernde Alte lachte aus vollem Herzen und genoß die herrliche Zeit …
Die Kumpane des Panama Rangers, die mehr oder weniger das gleiche erlebt hatten, verschwanden. Nur wenige wurden von den neuen Herren anerkannt, obwohl viele sich bemühten, sich nützlich zu erweisen. Sie suchten in den besetzten Dörfern nach brauchbaren Geschäften, die sie an sich rissen, wobei sie das schützten, was ihnen wichtig schien, zum Beispiel eine Apotheke, eine Garage oder ein Getreidesilo. Sie wurden aber schnell entmutigt. Gewiß, man hörte auf sie, besonders nachdem eine gewisse Ordnung eingekehrt war. Als man jedoch alles verstanden hatte, wurden sie kaltgestellt. Die Intelligentesten unter ihnen merkten bald, daß, wenn sie sich nützlich erwiesen oder sogar unentbehrlich, sie den Haß auf sich zogen. Dann tauchten sie in der Masse unter, wo ihre weiße Haut nach und nach unbemerkt blieb. Besseres konnten sie sich nicht wünschen. Da sie bis zuletzt gegen sich logisch blieben, fügten sie sich allmählich. Heute bilden sie in dieser französischen Provinz mit überwiegend indischer Bevölkerung eine neue Kaste von Parias, die völlig assimiliert, aber gleichzeitig auch isoliert ist. Sie hat keinerlei politisches Gewicht. Aus den beiden ethnischen Gruppen sind neue Führer hervorgegangen, die gern von rassischer Integration und Brüderlichkeit reden und so ihre Stellung halten. Aber an die Lehrherrn, die in der Vergangenheit reichhaltig dazu beigetragen haben, will sich niemand mehr erinnern. Sie haben nichts mehr zu bedeuten. Wenn sie sterben, begräbt man sie jedoch mit einem gewissen Zeremoniell. Ihr Schicksal ist eben das gleiche wie das aller Wegbereiter.
Als zum Beispiel Lydia starb, die als eine der ersten verschwunden war, erinnerte man sich gleich an die weißen Tücher, die sie als Willkommensgruß herausgehängt hatte. Die Schüler, die von ihren Lehrern angefeuert wurden, heulten. Nun, Lydia starb elend als Hure der Hindus in Nizza, angewidert von allem und von sich selbst. Jedes Einwandererviertel besaß einen Bestand an weißen Frauen, die jeder völlig legal umsonst gebrauchen konnte. Dies war sogar eines der ersten Gesetze, die das neue System erlassen hatte: Die weiße Frau mußte ihren Mythos verlieren. Lydia, die am Ostermontag inmitten ihrer weißen Tücher vergewaltigt worden war, folgte, immer noch halb im ursprünglichen Irrtum befangen, einer Horde wilder Hindus, die sie als gemeinsames Eigentum betrachtete, denn sie war sehr schön und von sehr weißer Hautfarbe. Als später wieder Ordnung eintrat und die Banden gezähmt waren, hatte man sie in Nizza in ein Studio eingesperrt, zusammen mit andern Mädchen, die das gleiche Schicksal erlitten. Ein Wächter gab ihnen zu essen und öffnete jedem die Tür, der zu ihnen wollte. Das Haus trug sogar einen Namen: »Zentrum für sexuelle Aufklärung der weißen Frau«. Dann verbot man ebenso legal die Nutten.
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