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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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Es waren zehn, die sich im Sand wälzten.
    »Hübsches Martyrium«, stellte der Oberst fest. »Damit mache ich der neuen Welt ein Geschenk. Mit ihm wird sie sich aus der Verlegenheit helfen.«
    Der Hauptmann auf dem Dach der Villa gab den letzten Schuß in dieser Schlacht ab. Er öffnete den Mund und steckte den Lauf seiner Pistole in den Rachen. Zehn wehrlose Zwerge lagen ermordet am Strand und nun peng … Schluß mit dem schönen Offizier!
    »Er hatte keine andere Wahl«, sagte der Oberst teilnahmslos. »Ich wußte es. Seit heute früh fing er plötzlich an, nachzudenken. Was kam, war so sicher, wie die Nase im Gesicht steht. Er hatte Fragen gestellt, aber nicht über sich. Über andere, und damit über sein Verhältnis zu anderen. Wenn er wenigstens wie ein Vorgesetzter gedacht hätte! Aber nein! Ich wette, daß er, als er auf den Abzug drückte, sich als Bruder dieser Scheusale gefühlt hatte. Kaputtgemacht vom Wortterror. Nach langen Erfahrungen muß man zu diesem Ergebnis kommen. Es ist die zeitgemäße galoppierende Syphilis. Wir werden uns jetzt aus dem Staub machen. Es ist höchste Zeit. Der Augenblick ist nicht zum Plaudern geeignet …«
    »Sie haben ihn getötet«, sagte der Staatssekretär. »Warum, wenn Sie es wußten?«
    »Vor der Ankunft im Dorf«, antwortete der Oberst, »war klar, daß Verräter ausgeschaltet werden mußten, die uns in ihrer Unwissenheit und sogar Gutgläubigkeit ins Verderben gejagt hätten. Solche Menschen sind in der letzten Stunde die gefährlichsten. Nun gut! Das wäre erledigt. Schauen Sie …«
    Mit dem Rücken zum Meer gewandt sah Jean Perret nur Stiefelabsätze und gefleckte Rücken, die flüchtend unter den Bäumen verschwanden. Es waren die letzten Husaren, die das Weite suchten. Sie kamen aus der Villa. Es war eine lange, schweigende Menge von Berufssoldaten. Einer rief: »Trotzdem viel Glück, Herr Oberst!« Im Ton seiner Stimme spürte man sein Mißbehagen. Ein trauriges Lebewohl. Die wenigen Worte sagten alles. Wir können Ihnen nicht folgen, Herr Oberst, wir können nicht anders handeln, wir folgen unserem Gewissen, aber unser Herz bleibt bei Ihnen …
    »Kein Bedauern«, sagte der Oberst. »Aber ich mache mir doch einen Vorwurf. Ich hätte sie samt ihrem Offizier früher töten sollen, wie de Poudis heute nacht. In welcher Welt wollen sie sich bewegen. Sie sind doch jetzt überflüssig! Auf geht‘s, Herr Minister«, sagte er wieder fröhlich. »›Die Ordnung‹ setzt sich ab …«
    Ein Lastwagen genügte! Was von der Ordnung noch übrig blieb, war wenig. Sie zählten ab. Ein Stabsunteroffizier und drei Husaren, der Kapitän des Marinekommandos mit fünf Mann, der Oberst und Jean Perret, insgesamt ein Dutzend.
    »Nette Zahl«, meinte der Oberst.
    Als er neben dem Fahrer saß, sagte er: »Tummle Dich. Wenn wir draußen sind, fahre nach rechts, dann die zweite Straße nach links bis zum Departementsgebäude. Wenn sich Typen querstellen, fahre drauf los …«
    »Und die Mönche?« fragte plötzlich der Staatssekretär.
    Der Oberst zuckte die Schultern. Schon rollte der Lastkraftwagen mit erhöhter Geschwindigkeit über die sandige Allee des Parks. Erste, zweite, dritte Kurve. Der Motor heulte auf. Mit der Maschinenpistole auf den Knien schaute Dragasès die Straße entlang, jederzeit schußbereit.
    Sie war leer.
    »Die Mönche«, antwortete er schließlich. »Lieber Herr Minister, um der Gerechtigkeit unserer Sache willen muß man die Märtyrer verteilen. Die Zwerge auf der einen und unsere Mönche auf der andern Seite. Wenn wir nicht ein paar Märtyrer haben, ist das nicht gesund. Wünschen Sie, daß wir ihnen im Dorf auf dem Kirchplatz ein hübsches Denkmal setzen? Mit einer schönen Inschrift: Dem Dutzend Mönche von Fontgembar, am Ostersonntag grausam ermordet als Opfer der Barbarei … Opfer der Barbarei, wie, das wäre doch richtig?«
    Wenn es nur um die Ordnung gegangen wäre, so hätten sie nicht viel Bedeutung gehabt. Sie waren sozusagen schon durch ihren Beruf gekennzeichnet. Als die Zwerge niedergemacht worden waren und in ihrem Blut lagen, waren die guten Mönche, wenige Meter von ihnen entfernt, bestürzt. Es war eine Reflexbewegung. Nach ihrer Herkunft waren sie unantastbar, besonders aber wegen ihres vorgerückten Alters. Als jeder der Greise bei einem der kleinen, ausgestreckten Körper auf den Knien lag, bewegten sie die Lippen und segneten sie mit der Hand. Man kann sich nur schlecht vorstellen, was diese seltsame Haltung bedeutete, denn es ist kaum

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