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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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Die Historiker behaupten, sie seien sowieso überflüssig gewesen, denn die weiße Frau hätte schnell den Stolz ihrer Haut verloren. Vielleicht …
    Clément Dio starb ebenfalls am Morgen der Landung. Aber allein.
    Nachdem er die Rede des Präsidenten der Republik im Hotel Préjoli in Saint-Vallier gehört hatte, ging er wie ein Schlafwandler in die Nacht hinaus. Mechanisch gelangte er zur Küste. Vor seinen Augen stand immer noch das Bild seiner Frau Iris Nan-Chan. Vergeblich hatte er sie zu wecken versucht. Sie war plötzlich in seinen Armen erschlafft – tot.
    Da er nicht weit von der Villa Dragasès entfernt abseits am Strand saß, wurde er fast unbewußt Zeuge einer Reihe von Vorgängen, die ihn tags zuvor noch freudig gestimmt hätten, denn er war ein Mann, der gern recht hatte, und was noch mehr wiegt, der sein Leben lang den kleinen Ben Suad, genannt Clément Dio, rächte. Als heute seine Rache triumphierte, fühlte er nichts mehr. Selbst die Auflösung der französischen Armee, die er so gehaßt, bekämpft und bespuckt hatte, ließ ihn völlig gleichgültig. Mit einem traurigen Auge folgte er der Verladung des Dutzend um Oberst Dragasès und ihrer Flucht im Lastwagen, ohne daran zu denken, daß dies zum großen Teil sein Werk war. Beim Ansturm der Einwanderer vom Ganges zögerte er, als ob er sich fragen würde, was er da zu suchen hätte und warum. Dann stand er auf. Etwas kam ihm in Erinnerung, etwas Wichtiges, Bruchstücke eines Satzes, den er ausgesprochen hatte: »Herr Minister … Wenn sie eine Chance haben … Es ist die Armada der letzten Chance.« Jetzt lächelte er. »Es war trotzdem ein verflixter Satz«, sagte er sich. »Jetzt sind sie da! Durch die Kraft der Worte!« Diese Feststellung jagte ihn hoch. »Ich bin es, Dio!« schrie er. »Kommt! Kommt! Löscht mir das alles aus!« Er machte heftige Bewegungen und rief der landenden Menge zu. Da er aber von kleinem Wuchs war, dunkelbraune Haut hatte und feingekräuselte Haare, dazu einen tückischen Blick aus blau geschlagenen Augen und seine Reisejacke aus auffallenden Farben bestand, glich er genau einem Portier, der werbend an der Tür eines Nachtlokals steht.
    Der Tod kam zu ihm in Gestalt eines schwarzen Riesen, der ein mißgeborenes Kind auf den Schultern trug und von einer großen singenden Menschenmenge begleitet war. Er hielt vor Dio, packte ihn mit der Faust und hob ihn bis zu den Augen der Mißgeburt mit der Schildmütze hoch, die jetzt ihren dritten Schrei von sich gab. Dio, genannt Ben Suad, wußte, daß seine letzte Stunde gekommen war. Aber er hatte nicht einmal mehr Zeit, den Grund seiner Verurteilung zu erfassen. Die Finger des Mistkäfers umklammerten seinen Hals, und wie ein Hampelmann wurde er auf den Strand geschleudert. Unter den Füßen der Massen sah er schnell wie eine ausgeblutete Ziege aus …
    Einmal verdammt, kann man wirklich nichts anderes erwarten. Hier haben wir zwei Männer vor uns, von denen jeder auf seine Weise ein Werkzeug des Schicksals gewesen ist. Der eine fuhr über Ozeane, traf den andern, tötete ihn in einer plötzlichen Eingebung, als ob er ihn erkannte hätte. Er war so der einzige freiwillige, vorsätzliche Mörder, an dem die Masse sich schuldig gemacht hatte. Das hat aber keinen Sinn.
    Wenn man jedoch darin etwas Symbolhaftes suchen will, so zeichnet sich ein abschreckendes Bild ab: der Wille der Dritten Welt, einerseits niemandem zu etwas verpflichtet zu sein, andererseits die grundlegende Bedeutung ihres Sieges nicht dadurch abzuschwächen, daß sie ihn mit Überläufern teilt. Ihnen zu danken oder sie sogar anzuerkennen, hieße ja, eine Art Unterwürfigkeit fortbestehen zu lassen. So gesehen, hat der Mistkäfer die Frage gelöst. Man kann allerdings geteilter Ansicht sein. Ich habe da eine viel natürlichere Erklärung, die zudem noch einfach ist: Der Kopf Dios reichte eben nicht bis zu der Mißgeburt. Keineswegs!

43.
     

    Dann brach der Sturm los. Ein kräftiger Wind am Morgen hatte ihn angekündigt. Obwohl er über die Ansagen des mittelmeerländischen Wetterdienstes nicht hinausging, war er doch äußerst heftig, aber zeitlich und örtlich begrenzt. Er dauerte nur eine knappe Stunde. Dabei hob er das Meer in einem beschränkten Umkreis wie bei einem Zyklon. Der letzte Einwanderer verließ, bis an die Hüften im Wasser stehend, das letzte Schiff und gelangte gerade noch zum Strand, als ein sintflutartiger Regen auf die Flotte und auf einen ungefähr einen Kilometer tiefen Küstenstreifen

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