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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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die Liebe könnte ihn leiten.
    Er nahm mich beim Arm und führte mich zu einem futuristischen Sofa, das zwischen zwei mit winzigen Lauben, Brückchen und sogar Wasserfällen ausgestatteten Bonsaibauminseln stand.
    »Worüber lachst du?«, fragte er.
    »Das kann ich dir erklären«, sagte ich, während ich mich im Schneidersitz auf dem Sofa niederließ.
    »Da bin ich aber gespannt.«
    Er setzte sich ans andere Sofaende und schlug die Beine übereinander, sodass der Rand der Revolvertasche unter dem Rocksaum hervorschaute.
    »Es ist eines jener Märchen, die den Schmerz und das Erschrecken der Frau bei ihrer ersten sexuellen Erfahrung wiedergeben«, begann ich. »Solche Geschichten gibt es viele. Die du erzählt hast, scheint ein klassisches Beispiel zu sein. Eine Metapher dafür, wie die Frau das animalische Wesen des Mannes entdeckt und zugleich ihre eigene Macht über dieses Tier in ihm. Und die kleine rote Blume, die der Vater pflückt, ist ein so unverhohlenes Deflorationssymbol, noch dazu angereichert mit dem Thema Inzest, ich kann mir kaum vorstellen, dass es einer Haushälterin über die Lippen gekommen sein soll. Wahrscheinlich hat es sich ein Wiener Assistent zu Anfang des vorigen Jahrhunderts ausgedacht, um seine Diplomarbeit damit auszuschmücken. Das Märchen, die Haushälterin Pelageja, der Schriftsteller Aksakow – alles seine Erfindung. Zu der Zeit nannte man diese Pelagejas übrigens noch Beschließerinnen. Also mit Schlüsselgewalt. Und nicht nur ein Schlüssel, viele an einem Ring. Muss ich noch deutlicher werden?«
    Während ich sprach, hatte sich Alexanders Miene immer mehr verdüstert.
    »Wo hast du das denn aufgeschnappt?«, fragte er.
    »Das sind Binsenweisheiten. Jeder kennt sie.«
    »Und du glaubst das?«
    »Was denn?«
    »Dass dieses Märchen nicht vom Triumph der Liebe handelt, sondern davon, wie die Defäkation sich ihrer Macht über den Inzest bewusst wird?«
    »Defloration«, korrigierte ich ihn.
    »Egal. Dieser Meinung bist du?«
    Ich überlegte.
    »Ich … bin überhaupt keiner Meinung. Das ist der moderne Märchendiskurs.«
    »Und deswegen denkst du, wenn du eine rote Rose geschenkt bekommst, an Defäkation und Inzest?«
    »Wie kommst du darauf?«, erwiderte ich ein bisschen aus der Fassung geratend. »Wenn ich eine rote Rose geschenkt bekomme, dann … dann freue ich mich einfach.«
    »Na Gott sei Dank«, sagte er. »Und was diesen modernen Diskurs anbelangt, da wird es höchste Zeit, dass man den mit einem Pfahl aus Espenholz in den verkoksten und zugepeppten Arsch zurücktreibt, der ihn ausgeschissen hat.«
    Eine derart rustikale Verallgemeinerung überraschte mich.
    »Wieso?«
    »Wieso? Damit er die kleine rote Blume nicht besudelt.«
    »Gut«, sagte ich, »das mit dem Koks kann ich noch verstehen. Anspielung auf Doktor Freud und sein kleines Laster, nehme ich an? Aber zugepeppt?«
    »Das kann ich dir erklären«, äffte er mich, gleichfalls in den Schneidersitz gehend, nach.
    »Da bin ich aber gespannt.«
    »Die Diskurserfinder, diese ganzen französischen Papageien, sind alle auf Amphetamin. Abends fressen sie Barbiturate, um einzuschlafen, und früh fangen sie den Tag mit Amphetaminen an, um sich die Barbiturate aus dem Hirn zu sprengen. Und später fressen sie noch mal welche, um so viel Diskurse wie möglich rauszuhauen, ehe sie wieder anfangen, Barbiturate zu fressen, damit sie einschlafen können. Da hast du den ganzen Diskurs. Ist dir das etwa neu?«
    »Woher stammen die Informationen?«
    »Wir hatten in der FSB-Akademie eine Weiterbildung über die psychedelische Kultur der Neuzeit. Gegengehirnwäsche … Ach so: Schwul sind sie auch alle. Falls du dich fragst, wieso in den Arsch.«
    Das Gespräch nahm keinen guten Verlauf, es wurde Zeit, das Thema zu wechseln. Dies tue ich am liebsten rasch und entschieden.
    »Du, Alexander«, sagte ich. »Erklär mir doch bitte mal, was ich hier eigentlich soll. Willst du mich ficken oder umerziehen?«
    Er zuckte zusammen, als hätte ich eine Ungeheuerlichkeit von mir gegeben, sprang vom Sofa und fing an, vor dem Fenster auf und ab zu gehen – falls man das nun wieder transparente Rechteck in der Wand so nennen wollte.
    »Legst du es darauf an, mich zu schockieren?«, fragte er. »Das musst du nicht. Ich weiß, dass sich unter deinem gekünstelten Zynismus eine reine, verletzliche Seele verbirgt.«
    »Gekünstelter Zynismus? Bei mir?«
    »Zynismus ist nicht das richtige Wort«, sagte er und blieb stehen. »Leichtsinn. Unverständnis

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