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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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für die wesentlichen Dinge des Lebens, mit denen du spielst wie ein kleines Kind mit einer Granate. Lass uns offen miteinander reden. Zur Sache.«
    »Von mir aus.«
    »Du sprichst vom animalischen Wesen des Mannes, dem Schrecken der ersten Paarung … Das sind düstere, furchtbare Dinge. Mir selbst wird manchmal angst und bange, wenn ich in diese Abgründe schaue …«
    Mir selbst. Nein, er war wirklich lustig!
    »Du dagegen urteilst darüber, als wären es Peanuts. Hast du denn gar keine Angst vor dem Tier im Manne? Vor dem Mann im Tier?«
    »Keine Spur«, sagte ich. »Michalytsch hat dir doch gesagt, wer ich bin. Oder nicht?«
    Er nickte.
    »Na also. Wenn ich solche Probleme hätte, könnte ich nicht arbeiten.«
    »Und die Nähe des fremden Körpers, so groß und ungeschlacht und eigenen Gesetzen folgend – das alles schreckt dich gar nicht?«
    »Ich bete es an«, sagte ich und lächelte.
    Er sah herüber, schüttelte argwöhnisch den Kopf.
    »Ich meine, die physische Nähe? Im profansten Sinn des Wortes?«
    »Für geistige Nähe erhebe ich einhundertfünfzig Prozent Aufschlag. Wie lange wollen wir noch auf dem Thema rumkauen? Palaverst du immer so ausführlich vor dem Ficken?«
    Er verzog das Gesicht.
    »Ich möchte nicht, dass du mit mir redest wie mit einem Gangster. Macht das die Uniform, oder wie?«
    »Könnte sein. Probier es und zieh sie aus. Die Hosen gleich mit.«
    »Hör mal, wieso kannst du nicht…«
    »Gefalle ich dir denn kein bisschen?«
    Ich neigte den Kopf und sah ihn schmollend von unten her an: Augen etwas zusammengekniffen, Lippen leicht geschürzt. An diesem Blick habe ich mehr als tausend Jahre gefeilt, ihn beschreiben zu wollen ist müßig. Hausmarke, eine lupenreine Provokation: Unschuld und Schamlosigkeit in einem Flakon, eine panzerbrechende Melange, die den Kunden glatt durchschlägt und im Zurückprallen noch mal erwischt. Die einzige mir bekannte Möglichkeit, sich vor einem solchen Blick zu schützen, ist, woanders hinzusehen. Alexander sah mir in die Augen.
    »Und ob du mir gefällst!«, sagte er, und sein Kopf zuckte nervös.
    Ich merkte, dass der kritische Moment gekommen war. Wenn ein Kunde so mit dem Kopf zuckt, ist das ein Zeichen dafür, dass die Kontrollzentren in seinem Hirn zu versagen beginnen, sodass er sich jeden Moment auf dich stürzen kann.
    »Ich müsste mal kurz verschwinden«, sagte ich und erhob mich. »Wo ist bei dir das Bad?«
    Er zeigte auf eine runde Wand aus durchscheinendem blauem Glas. Eine Tür gab es nicht – nur einen schneckenartig nach innen sich windenden Gang.
    »Bin gleich wieder da.«
    Kaum war ich drinnen, holte ich tief Luft.
    Es war schön hinter dieser Wand. Goldene Sterne auf tiefblauem Grund und die Wanne in Perlmutt gefasst, wie in den pompejischen Thermen – vielleicht hatte der Raumgestalter dieses Motiv bewusst zitiert. Der Hausherr wusste bestimmt nichts davon.
    Ganz schön waghalsig, einen Kunden dermaßen hochkochen zu lassen!, dachte ich mir. Irgendwann nimmt das noch mal ein böses Ende. Wer weiß, vielleicht drückt sich dieser Alexander ja auch irgendwas, so wie Michalytsch, oder schluckt Pillen? Dass er die ganze Zeit so komisch in der Luft herumschnuppert, wird seinen Grund haben …
    Ich zog die Jeans aus, legte sie auf den Boden, schüttelte den Schweif auf und besah mich im Spiegel. Mein Stolz glich einem japanischen Fächer, mit rotem Pinsel bemalt. Schön. Noch dazu vor diesem blaugoldenen Hintergrund, ein märchenhafter Anblick. Ich fühlte mich im Vollbesitz meiner Kräfte wie nie zuvor: Sprudelte über vor Energie, es fehlte nicht viel, und aus den Grannen meines Schweifes wären kleine Kugelblitze geschossen. Eine komische russische Redewendung fiel mir ein: den Schwanz wie eine Pistole halten – den Mut nicht sinken lassen, soll das heißen. Keine Ahnung, wer das aufgebracht hat, da dürften Werfüchse die Hand im Spiel gehabt haben. Nun denn! sagte ich mir. Attacke!
    Kurz vor dem Ausgang ging ich sozusagen in den Startblock. Atmete noch ein paarmal durch, passte die einzig richtige Millisekunde ab, in der alle Fasern deines Körpers: jetzt! rufen – und schoss wie ein Tornado aus dem Badezimmer.
    Von da an blieb zum Denken keine Zeit mehr. Ich bremste ab, schwenkte den Hintern in die Zielrichtung, stemmte Hände und Füße kräftig gegen den Boden und ließ den Schweif über den Kopf schnellen. In einer der Spiegelflächen konnte ich mich kurz sehen: Ich glich einem kampfbereiten, furchterregenden roten Skorpion

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