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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Großmutter. Ist das wirklich unrecht? Wir leben auch so noch viel besser als die weißhäutigen Menschen in den Slums eurer Städte. Wir haben zwei Bankseiten und den Boden, auf dem wir indianische Schlafgestelle aufstellen können, wenn wir wollen. Wir haben Fenster und Tür, und es wird so viel reine Prärieluft zu uns hereinkommen, wie wir nur wünschen. Wir laufen zur Pumpe hinauf, um uns zu waschen, da die Wasserleitung zu uns nicht repariert wird; kaltes, frisches Wasser ist gesund. Mein Kind braucht einmal nur die Tür aufzumachen, und schon hat es den hellen Himmel über sich und Mutter Erde mit ihrem Gras unter den Füßen. Als ich noch in der Straße der großen Stadt wohnte, stank es in den Räumen der Menschen, von denen wohl zehn in einer Kammer oder im Keller hausten, und es stank draußen auf der Straße; den Himmel konnten wir nicht sehen, und Gras gab es nicht. Hier bei uns ist es schöner, Großvater. Der Kranke und die Großmutter werden mit uns zusammen glücklich sein.«
    »Krank auch noch. Was hat er denn?«
    »Epilepsie, Großvater.«
    »Um Gottes willen.«
    »Nicht ansteckend, Großvater. Er arbeitet ja auch nicht bei Ihnen.«
    »Wer dich hört, fühlt sich eingeölt und aufgeweicht von Kopf bis Fuß. Also meinen Segen. Und sieh zu, daß du es schaffst.«
    »O ja, Großvater. Ich habe einen guten Schutzgeist.«
    »Schutzengel heißt das. Also dann! Euer Toilettenhäuschen habt ihr ja bis jetzt sauber gehalten.«
    Hanska schmunzelte, halb versöhnt. »Sie haben es ausgekundschaftet, Großvater? Heimlich, so daß ich Sie nicht einmal erschießen konnte?«
    »Eben das, Joe. Ich werde dich jetzt Joe nennen. Das ist meiner Zunge angepaßter. Bleib mir aber nie wieder sieben Tage weg, ohne mir Bescheid zu sagen.«
    »Die Arbeit wurde getan, und ich bin wiedergekommen. Die beiden wiedergefundenen Pferde waren Ihnen doch zwei Wochen wert.«
    »Ja, ja. Es geht aber um die ausdrückliche Ordnung. Davon kann ich nicht weg. Unordnung zieht mir die Haut ab.«
    »Die weiße Haut. Eine Schlange, Großvater, die sich häutet, wird aber jünger und glänzender. Man kann das freilich nicht immer tun, zum Beispiel nicht hier und jetzt. Alles zu seiner Zeit.«
    »Gott allein in Ewigkeit. Das nächste Mal läßt du mir bitte Bescheid sagen.«
    Das Wort »bitte« hatte Hanska vom Großvater zum erstenmal gehört.
    Es gab zwei Kommentare zu diesem abendlichen Gespräch.
    Frau Myer, die wortkarge, bemerkte zu ihrem Mann: »Die echten Indianer hängen zusammen wie die Kletten; sie machen eher sich selbst kaputt als einen Verwandten. Dagegen kannst du nichts ausrichten. Jetzt haben wir das Wespennest mitten in der Ranch, und Joe, der etwas taugt, wird von den andern ausgesaugt. Ich wette, daß er den ganzen Tag über nichts mehr essen wird als unsere Mahlzeit.«
    »Reicht ja auch für einen jungen gesunden Mann.«
    »Mag sein.« Frau Myer nahm sich aber vor, Hanska-Joe jedesmal einen Schlag extra in die Schüssel zu geben. Ihr eigener Sohn war als ein Dieb davongelaufen. Sie brauchte Ersatz für ihre Art der mütterlichen Fürsorge.
    Während Hanska und Ite-ska-wih nach dem Essen den nun schon gewohnten Weg durch die Wiesen, am Korral vorbei, zum Blockhaus hinaufgingen, sagte Ite-ska-wih: »Meinst du nicht, Hanska, daß wir uns ein gutes Zelt verschaffen sollten? Wenn Harry und Mary ja eines Tages doch aus dem Internat zu uns kommen und auch die drei Kleinen aus Kanada zu uns zurückkehren?«
    »Richtig. Der Clan braucht außer dem Blockhaus ein winterfestes Zelt. Ich kümmere mich darum, Ite-ska-wih. Zwei Büffelfelle zum Lagern, wie Inya-he-yukan es schon abgemacht hat. Schließlich gehören die Büffel bei Kingsley uns. Wegen der Zeltplanen fragen wir oben in Kanada nach. Vor dem nächsten Winter fahren wir noch einmal hinauf. Wenn dann aber der Frost klirrt, hast du unser Kind im Arm, Ite-ska-wih.«
    »Ja, Hanska. Mein Herz klopft hell.«
     
    Der eindrucksvolle Verlauf der Versammlung, die allgemeine Teilnahme hatten die Stimmung im Lande verändert. Kaum einer glaubte noch, daß der Killerchief beim nächsten Wahltermin, der in dreiviertel Jahren bevorstand, wiedergewählt werden könnte. Es häuften sich die Fälle, in denen der Superintendent anders entschied als der Chief-President und die staatlichen. Machtmittel nicht für die Spezialinteressen des brutalen Dicken einsetzte. Mit großer Spannung und entgegengesetzten Wünschen warteten die feindlichen Gruppen im Stamm auf den Ausgang des Prozesses gegen

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