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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Joan Howell.
    Es wirkte alles gelöst und vertrauenerweckend; die Eltern waren zufrieden. Norris erzählte von seiner Tätigkeit als Gärtner. So jung schon war er hauptamtlicher Gärtner der Superintendentur und der anschließenden Amtsgebäude geworden. Der Vater hatte Gicht und konnte nicht mehr, wie er wollte.
    Da das Gespräch im Geleis zu laufen schien und scheinbar nicht mehr viel Neues zu sagen blieb, verabschiedeten sich die Eltern und gingen zu den Nachbarn.
    Die Jungen blieben unter sich.
    »Ich will nicht länger mit Worten herumspielen«, sagte Hanska aufrichtig, »sondern dir berichten, Norris, was uns zu dir treibt. Wir haben wieder Sorgen um Wasescha-Mahan, wie so oft schon in unsrer Schulzeit, als der Lehrer Hugh Mahan, den wir liebten, schikaniert wurde. Wir nannten ihn damals ›Der Mann, der die Wahrheit spricht‹. Du weißt es ja auch noch.«
    »Ja, das weiß ich noch gut, und jetzt steckt er wieder in der Klemme, um nicht zu sagen, in der Falle.«
    »Glaubst du das auch?«
    »Nach allem, was geredet wird.«
    »Jeder Amerikaner darf einen Gegner niederschießen, der ohne Erlaubnis sein Haus betritt.«
    »Hanska! Erstens: ›Jeder Amerikaner‹, aber nicht jeder Indianer. Soweit sind wir noch nicht. Zweitens: ›einen Gegner‹. War Louis das? Drittens: ›sein Haus betritt‹. Louis White Horse stand vor dem Eingang.«
    »Norris! Erstens: auch jeder Indianer. Das ist unser gutes Bürgerrecht. Zweitens: Louis White Horse und seine Kumpane waren Killer, also Todfeinde. Drittens: Louis wurde innerhalb des Zeltes erschossen, nicht außerhalb. Dafür gibt es Zeugen und Polizeiprotokolle.«
    »Hanska! Beweise, daß die drei Killer gewesen sind. Dann ist Wasescha gerettet.«
    »Norris! Du weißt genau, wie heimtückisch die Killer gearbeitet und sich getarnt haben. Es gibt aber einen, der Bescheid weiß und reden sollte, denn er hat sich von den Killern getrennt. Er ist dein Freund.«
    »O Hanska.«
    Norris stützte den Ellbogen auf den Tisch und legte die Stirn in die Hände.
    »Norris, will dein Freund nicht ein Mann sein, der die Wahrheit spricht?«
    »Hanska, Hanska. Du bedrängst mich.«
    »Wieso dich?«
    »Seine Adresse ist geheim.«
    »Das mochte sie sein. Jetzt wird Geheimhaltung Mord an Wasescha. Begreifst du?«
    »Vielleicht morde ich meinen Freund, wenn ich seine Adresse preisgebe.«
    Hanska überlegte die Antwort. Er überlegte lange. Endlich sagte er: »Du mußt das ernsthaft bedenken, Norris, wirklich. Ich sehe mich solange in der Siedlung um, kenne hier noch ein paar Leute.«
    »Gut, Hanska. Mir ist schwer zumute, ich bin ganz verwirrt.«
    Hanska verließ den Raum.
    Norris und Ite-ska-wih saßen einander gegenüber. Norris vermied es, ihr in die Augen zu blicken. Er sah nur die harmonische Gestalt, die weichen Schultern, die hellbraunen Arme und diese Hände. Ja, diese Hände. Sie waren schlank, sehr jung und bewegten sich ein wenig, als ob sie etwas glatt strichen. Er mochte ihnen zusehen. Sie konnten nicht sprechen, nicht scharfe Entgegnungen formulieren, sie verlangten keine Antwort. Sie waren sanft und schön. Ruhe ging von ihnen aus. Norris gab sich der Ruhe hin. Wenn er Ite-ska-wihs Hände sah, dachte er an Blumen. Auf einmal sah er auch ihr Gesicht, das Sonnengesicht. Blumen brauchten milde Sonne, Menschen auch. Dann konnten sie sich öffnen.
    »Es ist alles anders, als Hanska denkt«, sagte er endlich. »Es ist eben anders, deshalb ist es für mich so schwer.«
    »Ich höre dir zu, Norris.«
    Ihre Stimme hat die Musik des Präriemorgens, dachte Norris. Das sanfte Rauschen, ein Vogelruf. Sie kann nichts Schlimmes bewirken. Er suchte nach Worten.
    »James, der ehemalige Polizist, mußt du wissen, ist ein einfacher Mensch, ganz geradezu. Er ist viel älter als ich, schon in den Vierzig. Ein alter Freund. Ein väterlicher Freund. Sie haben ihn als jungen Kerl einmal zur Polizei geholt, so hatte er einen Job. Polizei, hatten sie ihm gesagt, das ist das Recht und die Ordnung; das hat ihn überzeugt, und er war sehr eifrig. Er brauchte dazu einen Glauben und eine Stütze. Am Indianer hatten sie ihn in der Schule irre gemacht. Die Stütze hat er bei der Verwaltung und bei der Kirche gefunden. Sein Glaube ist ihm ernst. Er geriet in einen schlimmen Konflikt, als der Killerchief zu regieren anfing. Schließlich ist er gegangen.«
    »Nach dem Mord an Queenie.«
    Norris erschrak.
    Ite-ska-wih hatte ihn an Queenie Tashina King erinnert, obgleich sie anders aussah und anders war. Etwas hatte

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