Das helle Gesicht
Wasescha. Der Killerchief hatte bei dem Gericht in New City eine Vorverhandlung veranlaßt, in der entschieden werden sollte, ob ein Prozeß wegen Mordes eröffnet werden würde. Als Zeugen waren von der Anklage die beiden Killer benannt, die vor dem Zelt gestanden und überlebt hatten; von der Verteidigung waren Hanska, Ite-ska-wih, Hetkala und Tatokala geladen.
Der Termin war drei Wochen nach der Versammlung anberaumt.
Am letzten Wochenende davor kam Wasescha, den die Weißen Hugh Mahan nannten, in das kleine Blockhaus zu seinen beiden wichtigen Zeugen.
Äußerlich erschien er sehr ruhig.
Wakiya-knaskiya schaute ihn unverwandt an. Er hatte als Vierzehnjähriger einen Mordprozeß gegen Inya-he-yukan als Zeuge miterlebt. Es war um den Todesschuß Inya-he-yukans gegen den weißen Nachbarrancher Mac Lean gegangen, der auf Wakiya angelegt hatte, als dieser sein Gelände in friedlicher Absicht betrat. Daß Inya-he-yukan nicht auf dem elektrischen Stuhl starb, sondern freigesprochen wurde, war wie ein Wunder erschienen, zu danken dem Charakter und Freimut einer einzigen Frau unter den Geschworenen und einem ehrgeizigen und geschickten Rechtsanwalt, der von den Indianerbünden gewonnen worden war. Noch im Nachklang zitterten alle Nerven Wakiyas wie hart gespielte Saiten. Die immer wieder verblüffende körperlich Ähnlichkeit zwischen Inya-he-yukan und seinem Vetter Wasescha steigerte für Wakiya die identifizierende Vorstellung von der Gefahr des Prozesses für den Angeklagten.
Wasescha fühlte den Blick Wakiyas so stark, daß er seine Aufmerksamkeit diesem zuwandte, obgleich er als Zeuge nicht in Frage kam und mit dem Prozeß, wie es schien, überhaupt nichts zu tun hatte.
Aber Wakiya war am vergangenen Abend in der Agentursiedlung gewesen und wies jetzt den Brief vor, den er vom dortigen Postamt mitgebracht hatte.
»Hier, lies!« bat er Wasescha.
Während Wasescha las, verfärbte sich sein Gesicht. Die harten und mageren Züge wurden blutleer.
»Das allerdings«, sagte er, ohne seine Stimme schwanken zu lassen, »das wird schwer halten.«
»Ich habe vorbereitet«, antwortete Wakiya, »nachdem ich solche Nachrichten über Missis Carson erhielt. Ihr wißt, ich war dort, um meine Wohlfahrtsunterstützung zu beantragen, auf die ich ein Recht habe. Dabei zog ich sie ins Gespräch. Sie ist nicht als Zeugin geladen, obgleich das sehr wichtig wäre. Darüber ärgert sie sich, weil sie eine selbstbewußte Beamtin ist und weil Mahan-Wasescha ihr leid tut. Sie erzählt auch gern. So hat sie mir angedeutet, was unsere Feinde planen. Die Versammlung war ein erfolgreicher Schlag gegen die Killerpartei. Aber sie geben nicht auf, wie wir hofften. Sie holen zu einem Gegenschlag aus. Waseschas Prozeß soll ihnen die Gelegenheit dazu geben. Uns wollen sie als die Killer brandmarken, Wasescha als einen führenden Mörder.«
»Sollte ihnen das nicht doch schwerfallen?« rief Hanska aufgebracht. »Die Lügner!«
»Sie sind raffiniert, Hanska. Irgendeiner, der ihnen hilft, muß raffiniert sein. Sie verlassen sich darauf, daß wir die Killerfunktion von Louis White Horse und seinen beiden Kumpanen nicht nachweisen können. Wasescha-Mahan habe Louis aus persönlichem Haß bedroht und niedergeschossen, als er den Zelteingang, nur um Einlaß bittend, berührte. Von gezogenem Revolver sei nicht die Rede; das seien Phantasien eines Rowdys wie Hanska und eines Kindes wie Ite-ska-wih. Diese Version wird verbreitet und auch dem Richter der Vorverhandlung, der mit seiner Vorentscheidung die Geschworenen natürlich beeinflußt, schon suggeriert. Dein Rechtsanwalt, Wasescha, ist selbst unsicher geworden, wahrscheinlich von der anderen Seite beeinflußt – wie schätzt du ihn ein, Wasescha?«
»Gar nicht. Er geht mir aus dem Weg. Ich muß ihm nachlaufen, ihn aufspüren. Deshalb bin ich auf dem Wege nach New City.«
»Er möchte sein Mandat am liebsten niederlegen. Dann, Wasescha, bist du verloren. Hast du dir diesen Rechtsanwalt nicht vorher genauer angesehen?«
»Pflichtverteidiger. Hatte kaum Gelegenheit.«
Wakiyas Nachrichten trafen die Anwesenden unversehens und schmerzhaft wie Messerstiche in den Rücken. Sie waren sehr zuversichtlich gewesen.
»Du hast aber etwas vorbereitet«, sagte Ite-ska-wih leise, flehend zu Wakiya.
»Ich habe es versucht.« Alle wunderten sich über die feste, unverrückbare Art, in der der Epileptiker mitten in der nervösen Erregung zu sprechen vermochte.
»Ich habe an die Rechtsanwälte telegraphiert,
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