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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sich in der Stille bei dem Ahnen Rat zu holen.
    Wakiya schaute zu Ite-ska-wih herüber, die seinen Blick bemerken mußte. Sie ging zu ihm an das Grab des alten Inya-he-yukan, das durch den gekrümmten Stab und das Bündel Adlerfedern bezeichnet war.
    Wakiya hatte sich im Gras niedergelassen; Ite-ska-wih setzte sich zu ihm. So saßen sie lange, ohne etwas zu sagen.
    »Rencho ist geschickt«, fing Wakiya schließlich auf englisch an. »Hab keine Angst. Er wird es so drehen, daß nicht James, sondern der Killerchief voller Schande dasteht.«
    »Wie will er das machen?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich habe ihn darum gebeten.«
    Wakiya kaute auf einem Grashalm.
    Das kurze Gespräch versickerte wieder in Schweigen.
    Wakiya hat also auch Angst um den bedrohten James gehabt, dachte Ite-ska-wih. Wakiya ist milder als Hanska; ich war nicht allein mit meiner Angst. Nun haben wir sie beide überwunden. Er vertraut Rencho. Ich aber weiß, daß Wasescha wichtiger ist als James Laughlin.
    »Was für ein Mann und Häuptling ist Inya-he-yukan der Alte gewesen, Wakiya, daß du immer noch Rat bei ihm suchen kannst?«
    »Schon als Knabe trug er viele Namen, einer war Steinhart. Er war wie ein Fels und auch wie ein Schutzgeist. Er ging seinen Kriegern voran, gerade durch. Aber er ist nicht immer so gewesen, wie ich ihn kannte. Er war so geworden. Inya-he-yukan der Jüngere war sein Wahlsohn. Gut hat er gewählt.« Wakiya pflückte den nächsten Grashalm. »Ich will dich etwas fragen, Ite-ska-wih.«
    »Tue es.«
    »Warum heiratet ihr nicht?«
    »Wenn ich Stammesangehörige werde, Wakiya, können sie mich in ihr Hospital holen und mir mein Kind nehmen.«
    »Darum.«
    »Ja, darum.«
    »Aber ihr seid Mann und Frau.«
    »Wir sind es.«
    »Wenn ihr in New City vor Gericht als Zeugen aussagen müßt, so geht am Abend vorher zu dem indianischen Priester Elk in die Indianerkirche. Er segnet euch. Er war auch am Grabe Inya-he-yukans des Alten, als dieser in die Erde gesenkt wurde, obgleich der Häuptling kein Christ war. Ich habe damals mit Elk gesprochen.«
    »Ich höre gern zu, wenn du sprichst, Wakiya. Hanska soll deine Worte durch mich erfahren.«
    »Hau.«
    »Bist du Christ, Wakiya?«
    »Auf Elks Weise. Er spricht in der Sprache unseres Stammes zu uns; er ruft nicht einen weiß gefärbten Gott, er ruft Wakantanka.«
    Hanska hatte genickt, als Ite-ska-wih ihm von Wakiyas Gedanken und Vorschlag erzählte. Er hatte sehr kurz genickt, das war Ite-ska-wih nicht entgangen. Aber Indianer besitzen keine eigenen schriftlichen Aufzeichnungen über ihren Glauben; sie nehmen nicht den Stift und ziehen scharfe Trennungsstriche. Was ihnen gut und wahrhaftig erscheint, das vereinen sie in Kopf und Herz. So sah Hanska keine Schwierigkeit darin, den Glauben seines Stammes, die Ehrfurcht vor dem Großen Geheimnis, die Liebe zur Mutter Erde, das Vertrauen in seinen Schutzgeist, die gemeinsame Reinigung von schlechten Gedanken und Gefühlen zu vereinen mit dem Glauben an den richtigen Weg eines Mannes, der am Kreuz sein Leben für andere gab. Was Hanska einen Stich versetzt hatte, das verstand Ite-ska-wih sehr gut; es waren nicht Fragen der Religion gewesen, sondern die Art, wie sie nach dem Gespräch in der Nacht am Morgen noch bei Wakiya-knaskiya Rat angenommen hatte. Manchmal war Hanska für sie noch zu einfach, zu entschieden, zu morgenklar. Sie wollte aber zu seiner Haltung heranwachsen. Es war doch nicht unrecht, wenn Wakiya ihr dabei half.
    Half er ihr?
    Oder sie auch ihm?
    Es kam dann eines Tages so, wie Wakiya-knaskiya angeregt hatte. Hanska und Ite-ska-wih gingen am Vorabend der Verhandlung gegen Wasescha in die kleine schmucklose Kirche der Indianer in den Slums von New City. Sie hatten von Margot gehört, daß auch Inya-he-yukan und Tashina einmal, in ereignisreichen Tagen, dorthin gegangen waren.
    Nur wenige Slumbewohner kamen. Der große Mann unter ihnen, den anderen offenbar fremd, fiel auf. Er setzte sich in die erste Bank, so daß er den Altar vor sich und alle Besucher des Gottesdienstes im Rücken hatte. Er wollte also niemanden sehen und nicht Auge in Auge gesehen werden.
    Das Kirchenlied wurde in der Stammessprache gesungen. Der indianische Priester Elk begann zu sprechen; er sprach vom Mute, zu bekennen und zu dulden, von der Schwachheit und von der Reue über die eigene Schwachheit. Der große Mann in der ersten Bank senkte den Kopf. Ite-ska-wihs Empfindungen blieben schlicht und ruhig. Sie verwandelte sich in den langen Mann, teilte

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