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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Betracht.
    »Vielleicht ist etwas damit anzufangen«, sagte dieser Doktor Rencho, »falls James Laughlin auf eindringendere Fragen die Aussage verweigert. Das weckt den erwünschten Verdacht. Seine Adresse machen wir natürlich über die Kirche ausfindig.«
    »Wird es etwas gelten, daß ich Louis White Horse für einen Killer gehalten habe – unabhängig davon, ob er es nun war oder nicht – und ihm deshalb mein Haus verboten hatte?« fragte Wasescha.
    »Können Sie das nachweisen?«
    »Durch eine Beamtin der Reservationsverwaltung. Sie würde unter Eid aussagen, ist aber nicht geladen.«
    »Würde aussagen? Ausgezeichnet. Nicht geladen? Unglaublich. Das holen wir nach. Gab es allgemein solche Killergerüchte?«
    »Aber natürlich. Fragen Sie zum Beispiel den Ratsmann Morning Star, der am Aufstand nicht beteiligt gewesen ist, oder sogar den größten indianischen Rancher der Reservation, Whirlwind.«
    »Oder Norris Patton, den Gärtner der Superintendentur«, fügte Hanska hinzu.
    »Oder mich«, meinte Joan Howell.
    »Also Zeugen genug. Ich bin unserer Sache jetzt sicher, Mister Mahan. Nur noch eins: Wie beweisen wir, daß Louis White Horse im Zelt war?«
    »Zeugen: Hetkala, Tatokala – Mutter und Frau –, Hanska und Ite-ska-wih. Aber auch durch die blutige Decke im Zelt und die Blutspritzer an den Zeltplanen.«
    »Das wurde untersucht?«
    »Beim Abtransport des Toten durch die Polizei festgestellt und sichergestellt. Ein Mitglied des Stammesgerichts war dabei.«
    »Dann noch eine Frage, Mister Mahan: Was hatten Sie denn bis jetzt für einen seltsamen Anwalt, der das alles nicht beachtet hat?«
    »Einen Pflichtverteidiger, Mister Rencho. Für Reservationsindianer werden üblicherweise die Anwälte vom Superintendent ausgewählt.«
    Rencho schüttelte den Kopf und zog die Stirnhaut hoch. »Ich werde mir diesen Kollegen vornehmen. Glauben Sie, daß der Superintendent in böser Absicht einen feindseligen Anwalt für Sie gewählt hat?«
    »Kaum. Er hatte nicht viel Auswahl. Wer will schon einen armen Indianer verteidigen? Er wußte auch nicht, daß meine Bruderschaft den Anwalt für mich bezahlen wird – wenn ihr der Anwalt gefällt. Sie werden ihr gefallen.«
    Der Anwalt lächelte. »Sie waren Ihrer Sache zu sicher und hatten sich um den Anwalt nicht gekümmert?«
    »So ist es. Wie gut, daß du dich um mich gekümmert hast, Wakiya-knaskiya! Du bist umsichtiger gewesen.«
    Wakiyas Züge hellten sich auf.
    Die erste Nacht nach diesem Tag der Erregungen, Verhandlungen und Entscheidungen und die folgenden Tage und Nächte waren für Ite-ska-wih mit einem seltsamen Schillern von Licht und Dunkelheit erfüllt, in dem sie sich kaum zurechtfand. Sie lag zwar in Hanskas Arm mit einem Gefühl der Ruhe, das sie in den Schlaf hineinwiegte, und sie saß am Tage einige Stunden mit Untschida zusammen auf der Wandbank und arbeitete an den so schönen wie mühsamen Stickereien mit gefärbten Stachelschweinsborsten; die Arbeit ging der alten Frau noch schneller von der Hand als der jungen. Aber Ite-ska-wih dachte dabei, wenn sie ihrem drängendsten Problem ausweichen wollte, doch an nichts, was ihr Freude machte. Sie dachte vielmehr daran, daß die Biber zwar mit dem Leben davongekommen waren, aber doch hatten ausziehen müssen. Wahrscheinlich hatte der Geheimnismann und Maler, der zerrissen und nicht mehr mit sich selbst einig war, dem Zauber Rote Krähes eines Tages doch noch getrotzt und hatte sich sehen lassen. Das war nicht gut, obgleich sich Dorothy sicher darüber gefreut hatte. Es war nicht gut. Etwas Böses schlich sich damit in das Haus am kahlen Berg ein; die Biber hatten gehen müssen. Sie waren zu den Schwarzen Bergen gegangen, in denen Inya-he-yukan und die Große Bärin ruhten und vielleicht auch Tashina, die Sanfte, die dem Mond geglichen hatte. Ite-ska-wih weinte, wenn sie an das alles dachte. Sie schmiegte sich an Untschida.
    Die große Frage blieb indessen eine andere. Ite-ska-wih war nicht weniger glücklich darüber als alle Hausbewohner und Freunde, daß die Sache Waseschas nun tatsächlich so gut zu stehen schien, wie jeder anfänglich vertrauensvoll angenommen hatte. Der heimliche Stachel schaute da heraus, wo es um den Zeugen James ging, der nun kaum mehr gebraucht wurde, dessen Adresse Anwalt Rencho aber glaubte herausfinden zu können, aufgrund einer Angabe von Norris, die diesem im Zutrauen zu Ite-ska-wih über die Zunge geglitten war und die sie weitergetragen hatte.
    Kirchendiener. Ja, das war

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