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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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seine Schwachheit und seine Reue. Als der Dienst für Wakantanka ausklang, segnete Elk die Gemeinde und betete für die Armen, Kranken und Verfolgten, für die Fremden, die Heimat suchten, für die Mütter, die sich um ihre Kinder sorgten, für die Alten und auch für die sehr Jungen, die ihr gemeinsames Leben begannen.
    Als alle sich erhoben und die Kirchenbänke mit leisen Geräuschen verließen, ging Ite-ska-wih zu dem langen Manne hin, als ob dies selbstverständlich sei, und sagte: »Du brauchst nichts zu erzählen. Du brauchst nur zu bezeugen, daß der Killerchief keine Aussagen aus dem Dienst wünscht und daß du ohne seine Erlaubnis nicht sprichst. Das ist alles. Er ist da und muß dann bekennen.«
    Der Mann hielt den Schritt nicht an, schaute aber auf Ite-ska-wih herunter, mit einem Blick, dessen Erstaunen sich in Freundlichkeit löste.
    »Junger Engel«, sagte er mit seiner kratzigen Polizeistimme, die er auch als Kirchendiener nicht abgelegt hatte. »Ein junger Engel.«
    Ite-ska-wihs Augen glänzten. Ihr Schutzgeist hatte durch sie gesprochen, so faßte sie es auf und war froh.
    Mit Hanska fuhr sie zu Margret; die Strecke war nicht weit. In der Hütte waren alle besorgt um sie. Sie konnte sich hinlegen. Hanska saß am Rand der Bettstatt. Er trug, ebenso wie Ite-ska-wih, seine Indianerkleidung.
    »Zeugenbeeinflussung«, bemerkte er mit einem verschmitzten Zug um die Mundwinkel. »Gut, daß niemand außer dem Langen und mir dich gehört hat. Wie bist du auf deinen klug scheinenden Gedanken gekommen?«
    »Ich habe geträumt, Hanska; mir war, als ob wir alle vor dem Richter stünden. Da half mir mein Schutzgeist beim Denken. Er erinnerte mich an einige Worte von Rencho.«
    »So war das, mein Sonnengesicht.«
    Ite-ska-wih und Hanska lagen zwischen einem Gewimmel von Kindern Margrets. Die Decken waren schlecht, das Lager darum härter als das auf der Wandbank in der Blockhütte. Aber das hinderte den Schlaf nicht; er kam.
     
    Ite-ska-wih erlebte am nächsten Tag die Vorverhandlung gegen Wasescha auf eine von ihr selbst nicht erwartete Weise. Ihre eigene Vernehmung wurde ihr unwesentlich. Es gab keinen Zweifel darüber, was sich abgespielt hatte. Sie konnte die Vorgänge genau und wahrheitsgemäß schildern. Der ironische Unterton der Fragen, ob sie denn tatsächlich Karate beherrsche, machte sie weder irre noch ärgerlich. Sie antwortete mit der Gegenfrage, ob jemand sich einer Probe stellen wolle, um das Gericht zu überzeugen, vielleicht ihr damaliger Gegner, der mit dem Revolver vor Mahans Zelt gestanden hatte. Er war natürlich anwesend. Aber er wollte nicht. Auch der schwergewichtige Killerchief hielt sich zurück, sei es prinzipiell um seiner Würde willen, sei es aus der Befürchtung heraus, dieses fremdartige Mädchen werde ihn zu Boden werfen. Ite-ska-wih faßte Frage und Gegenfrage zu dem sie betreffenden Kreis der Vorgänge als ein vorweg entschiedenes Für und Wider auf und verhielt sich wie eine Neutrale, die über der Sache steht. Die Gegenpartei gab ihre Befragung bald auf. Daß die junge schlanke Zeugin guter Hoffnung war, bemerkten nur die Frauen unter den Anwesenden.
    Hanskas Vernehmung verlief in schärferem Ton, aber mit dem gleichen Ergebnis. Seine Angaben enthielten keinen Widerspruch.
    In Ite-ska-wih setzte die stumme Erregung erst ein, als Mississ Carson und der ehemalige Polizist Laughlin als Zeugen der Verteidigung aufgerufen wurden.
    Kate Carson rauschte zum hochlehnigen Zeugenstuhl. Nicht daß sie rauschende Röcke getragen hätte, das war weder modern noch der Umgebung angemessen. Aber alle hatten die Empfindung, daß es in der luftgefilterten Atmosphäre im Saale rauschte, als eine Dezernentin der Reservationsverwaltung sich bereit machte auszusagen. Die Fragen des Anklägers, die nach denen von Rencho zugelassen wurden, beantwortete sie mit einer nochmaligen ausführlichen Schilderung ihres gemeinsamen Besuches mit Louis White Horse bei Hugh Mahan, unterließ nicht, einige ungehörige Formen im Benehmen Mahans zu rügen, dem die Verwaltung ein neues Haus zugedacht hatte, und beschrieb zurückhaltend, doch mit einem fast genüßlichen Unterton den Zusammenstoß zwischen Mahan und White Horse. Sie erklärte den Vorgang als Ausfluß einer an Sozialhysterie grenzenden Angst vor Killern in angeblich amtlichem Auftrag; Mahan habe White Horse beschuldigt, ein solcher Killer zu sein, und ihm für alle Zukunft sein Haus verboten. Diese durch Wiederholung bestätigte Schilderung verursachte

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