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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sie mit ihr gemeinsam – was mochte das nur sein?
    Nach dem Mord an Queenie hatte James den Dienst quittiert. Ja, das traf zu. Wußte Ite-ska-wih mehr? Hatten die Kinder vielleicht doch Aussagen gemacht?
    »Ite-ska-wih, es ist zum Verzweifeln. Die Adresse von James kann ich dir nicht sagen, denn ich habe ihm gelobt, es nicht zu tun. Mein Wort breche ich nicht.«
    Norris konnte nicht mehr vermeiden, in die dunklen Augen zu schauen, zu erkennen und zu fühlen, wie die Sonne in diesem Gesicht Feuer wurde.
    »Wie wäre es denn, Norris, wenn du selbst mit James sprechen würdest? Du hast einen Wagen.«
    »Ite-ska-wih, du… versteh mich doch. Du bist in einer großen Verbrecherstadt aufgewachsen. Weißt du nicht, was eine Gang ist? Eine solche Gang hat der Killerchief bei uns aufgebaut; er ist der Boss. Die Stammespolizei und ein paar bezahlte Killer sind seine Gangster geworden. Man kann keinen einzelnen herausbrechen, man muß den Boss abwählen, und das Ganze wird verschwinden. Deshalb war unsere Versammlung so richtig und so wichtig.«
    »Norris – es hat doch Männer gegeben, die sich von einer Gang getrennt haben: Inya-he-yukan, Ray – nachdem er Inya-he-yukan gesehen hatte – und James. Aber James hat sich nicht ganz getrennt. Er zappelt noch im Netz. Laß es ihn zerreißen.«
    »James ist kein Inya-he-yukan. Er ist ein Kirchendiener geworden, ganz bescheiden und stumm. Ich verrate ihn nicht, ich habe ihm ja Schweigen versprochen.«
    »Er war dabei als Polizist, war ein Gangster geworden für das Recht und die Ordnung des Killerchief. So sagst du selbst. Wenn er unter Eid aussagt und gefragt wird, müßte er auch eigene Untaten gestehen. So ist es doch, Norris.«
    »Ite-ska-wih, habt nicht auch ihr – ich meine euch, die ihr im Ring gewesen seid – habt nicht auch ihr Männer unter euch, die getötet haben?«
    »Killer getötet haben, meinst du?«
    »Lassen wir das. Ich will über den ›schwarzen Cowboy‹ nicht reden. Aber hättet ihr nur diesen Aufstand nicht gemacht.«
    »Hättet ihr nur alle mitgemacht, Norris.«
    »Es ist eine Spalte zwischen uns, Ite-ska-wih, über die wir nicht hinwegkommen.«
    »Und doch, Norris, wirst du Wasescha helfen, so wie du ihm einst als Schüler helfen wolltest. Wenn du unter Eid gefragt wirst, ob wir alle von Killern geredet, nachts Angst gehabt, den und jenen im stillen als Killer verdächtigt haben, von Vermißten fürchten, daß sie ermordet seien – was wirst du dann antworten? Ja oder nein?«
    »Ja.«
    »Die Leute sagen, daß Wasescha den Louis White Horse einen Killer genannt und ihn davor gewarnt habe, je wieder sein Tipi zu betreten. Wie kommen sie darauf?«
    »Das hat Missis Carson erzählt.«
    »Sie war dabei. Glaubst du, daß sie unter Eid die Wahrheit sprechen wird?«
    »Ach, warum denn nicht, Ite-ska-wih. Sie braucht sich nicht zu fürchten. Sie erreicht bald die Altersgrenze und wird pensioniert. Der Killerchief ist bei der Verwaltung unbeliebt geworden. Das habt ihr ihm eingebrockt. Der Superintendent wird Missis Carson keinen Vorwurf daraus machen, wenn sie aussagt, unter dem Regiment dieses Chief-President seien Gerüchte über Killer umgegangen und Wasescha habe Louis für einen solchen gehalten und ihm sein Haus ausdrücklich verboten.«
    »Vielleicht reicht das, Norris. Bitte hilf mir, von nun an zu verbreiten, daß Hugh Mahan im Recht gewesen sei und das auch beweisen werde.«
    »Es kommt mir so vor, Ite-ska-wih.«
    Er schaute in das Sonnengesicht und vermied es nicht mehr, den dunklen Augen zu begegnen.
    Hanska und Ite-ska-wih fuhren zur Ranch zurück. Im kleinen Blockhaus trafen sie nicht nur die Bewohner und Joan. Wasescha hatte den Anwalt aus New City mitgebracht.
    Er ist noch verrückter gefahren als ich, dachte Hanska, und er hat keinen Aufenthalt gehabt.
    Beim Eintreten Hanskas und Ite-ska-wihs verstummten alle, um ihren Bericht zu hören.
    »Polizist, jetzt Kirchendiener James, ist kaum zu gebrauchen«, sagte Ite-ska-wih. »Er würde selbst unter Eid nicht mehr sagen, als daß er sich einen weniger anstrengenden Job gewünscht habe.«
    Der Anwalt schaute mit seinen grauen kleinen Augen auf die Sprecherin. Er hatte sich in der Ecke der Bank niedergelassen und seinen Notizblock auf den schweren Holztisch gelegt. Seine Nase war groß und scharf, der Schädel schmal, die Backenknochen traten etwas hervor. Vielleicht ein Viertel Indianerblut oder spanisches Blut, dachte Ite-ska-wih und zog dabei auch das schwarze Haar und den dunklen Teint in

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