Das helle Gesicht
Ite-ska-wih wandte den Blick von ihm ab und suchte mit den Augen und mit aller ihrer Sehnsucht nach Aufrichtigkeit Wasescha, »den Mann, der die Wahrheit spricht«, wie seine Schüler ihn genannt hauen.
Da war er. Auch er trug seine indianische Kleidung. Seine Hände blieben unbeweglich, seine Miene unzugänglich. Er hatte sich dafür entschieden, den Killer Louis White Horse zu töten. Anders hätte er Mutter, Frau, Kinder und sich selbst nicht schützen können. Er stand zu seiner Tat. Es gab kein Wenn und Aber in seiner Haltung. Er glich Inya-he-yukan in seinem Aussehen. Er war wie Inya-he-yukan in seinem Wesen. Hanska Mahto Bighorn war jünger und unerfahrener, aber ihm schon gleich an Mut und Entschiedenheit. Ite-ska-wih war Umwege gegangen durch Angst und Mitleiden, aber alle diese Umwege führten sie am Ende zu Hanska und Wasescha zurück. Sie wußte, wo sie hingehörte.
Die Vernehmung des James Laughlin war zu Ende. Er hatte für das Gericht so gut wie nichts Brauchbares ausgesagt und in seiner verängstigten Haltung an Freund und Feind doch alles verraten. Wankend ging er zu seinem Platz zurück.
Der Richter, ein älterer autoritativer Mann, war von dieser Szene offensichtlich unangenehm berührt. Er schloß die Verhandlung.
Nach einer kurzen Pause verkündete er, daß die Entscheidung, ob das Verfahren wegen Mordes oder Totschlags gegen Hugh Mahan eröffnet werden solle, in drei Wochen bekannt gegeben werde.
Mit halbem Ohr hörte Ite-ska-wih im Hinausgehen die Erklärung Renchos dazu. Der Richter wollte keinen Aufruhr im Saal hervorrufen; der Killerchief hatte seine Anhänger mitgebracht. In drei Wochen, wenn die Leidenschaften abklangen, würde in abgesicherter Büroruhe aktenkundig, daß kein Verfahren gegen Mahan zu eröffnen sei.
Nur immer ausweichen, dachte Ite-ska-wih, nur sich nicht gradeswegs stellen, nur das Ansehen des Killerchiefs nicht noch mehr ankratzen, nur Hugh Mahan nicht hinrichten und einige hundert Indianer in neue Wut versetzen. Doch die großen Führer einsperren, um den Widerstand von oben her lahmzulegen. So waren sie, aber Wasescha und Hanska waren anders; an ihnen sollten sie mit ihren Plänen zerschellen.
Im übrigen war Kate Carson kein schlechter Mensch, das mußte auch ein Indianer zugeben. Vielleicht wurde auch aus Großvater Myer noch etwas Hochachtenswertes, aus ihm am ehesten in dieser ganzen Familie.
Kate Carson und Eve Bilkins fuhren unterdessen schon miteinander zurück zur Agentursiedlung. Kate Carson war guter Dinge, Eve Bilkins drückte ihre Seufzer nach innen. Beim gemeinsamen Dinner sagte sie: »Sie sind großartig gewesen, Kate. Aber die Verwaltung ist blamiert, der President ist blamiert, die Polizei ist blamiert. Nach der stummen Versammlung beim Grabe Pedros und dieser Verhandlung heute. Wie stehen wir da!«
»Jedenfalls nicht so wie Hugh Mahan, Eve, der als Häuptlingscharakter dasteht wie einst Joe King. Die beiden Jugendlichen Hanska und Mara haben sich ebenfalls gut geschlagen. Sachlich und unbeeinflußbar sind sie geblieben. Dem President eine Karateprobe angeboten – Mara ist einfach köstlich. Wer aber Queenie ermordet hat, das wissen wir nun. Da Louis White Horse tot ist, werden wir allerdings niemals Näheres erfahren.«
»Außer von den Kindern, wenn sie herangewachsen sind.«
»So ist es, Eve. Die Saat des Unheils wächst und gedeiht. Es bleibt uns nichts übrig, als bescheidene Blumen des Friedens und der Charakterstärke zu pflegen.«
»Kleine Blumenbeete, Kate, sehr kleine Blumenbeete. Es wäre besser, die böse Saat auszurotten, wie ich es mir zu Beginn meines Dienstes hier erträumte.«
»Damals waren Sie noch ziemlich unerträglich, Eve, ehrlich gestanden. Haben Sie nie Ihre Bibel gelesen? Man soll das Unkraut lieber stehen lassen, sonst rottet man den Weizen mit aus.«
»Ihr Häuptlingscharakter Mahan, Kate, war schon damals äußerst anmaßend, eiskalt und hat mir viel Ärger gemacht. Ein Dämpfer, sagen wir fünf Jahre für Totschlag, hätte ihm jetzt nichts geschadet. Aber er nutzt die Situation aus.«
»Vielleicht kommt es in drei Wochen zu den fünf Jahren.«
»Habe nicht den Eindruck. Laughlin war zum Schluß nichts mehr als eine Teignudel, die von den Rechtsanwälten verspeist werden konnte – wer diesen Rencho wohl bezahlt, doch nicht etwa Mahan – und Mahan hat nicht einen Weißen erschossen, sondern einen Indianer. Das ist sein Glück.«
»Gewiß. Das macht noch immer den Unterschied.«
Die Verhandlung des
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