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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ihren Lohn, so hatte Joan das geordnet.
    Sie selbst eilte von Sieg zu Sieg der Eleganz und Sicherheit von Pferd und Reiter und konnte jeweils die als ersten Preis ausgesetzten Summen einstreichen.
    »Hay, Joe!« rief der Großvater. »Wirst du dich von einem Weib beschämen lassen?«
    »Wahrscheinlich ja. Das wird zum Beispiel der Rappe machen, wenn er mich abwirft.«
    Percival fuhr auf. »Der…«
    »Eben. Dein Rappe im Rodeoleihstall. Harry hat ihn dort aufgespürt. Sie wollen ihn mir geben für den Ritt ›im Sattel‹.«
    »Du willst ihn haben?«
    »Alles andere lieber als den.«
    »Du mußt ihn aber haben. Du schindest ihn weniger als ein anderer.«
    »Warum?«
    »Weil du… und weil ich… Darüber sprechen wir noch. Was kostet ein solches Pferd nach dem Rodeo?«
    »Zweihundert bis vierhundert Dollar, je nachdem. Als ›Pferd des Jahres‹, wenn er alle Reiter abgeworfen hat, auch tausend und mehr.«
    »Ich muß ihn wiederhaben. Er ist ein Reitpferd, ein Hirtenpferd, ein Jagdpferd wie euer Schecke. Auf alles habe ich ihn dressiert, nur nicht auf die Bockerei ohne Verstand.«
    »Wie bist du zu diesem Pferd gekommen?« fragte Vater Myer.
    »Vier Monate habe ich bei Whirlwind dafür gearbeitet, meinen Lohn dafür gegeben, als er noch ein Fohlen war.«
    »Schade, daß er kein Appalousa ist.«
    Percival aß weiter. Er wollte seine Schüssel leeren. Vor allem aber wollte er am Tisch nichts mehr von dem Rappen hören.
    In der Nacht um die zehnte Stunde, als Ite-ska-wih allein zum Blockhaus hinaufging, schlenderten Percival und Hanska über die trockenen Wiesen hinüber zu dem kleinen Friedhof und ließen sich beim Grab des alten Inya-he-yukan nieder, wie sonst Wakiya zu tun pflegte.
    Percival zog die Knie hoch, stützte die Ellenbogen darauf und verbarg das Gesicht in den Händen, obgleich die Nachtstimmung seine entstellten Züge schon weniger sichtbar machte. Aber die Art, wie seine Finger spielten, ließ ahnen, daß er seine Narben betastete und sie ihm wieder einmal deutlich bewußt geworden waren.
    »Zum Teufel mit dem…«, sagte er nach langem Schweigen. Er sprach englisch. Die Stammessprache zu benutzen, hatte er sich auf der Whirlwind-Ranch weitgehend abgewöhnt.
    Hanska wartete. Der Nachtwind wiegte die Gräser, die Grillen zirpten, die Pferde, die ebenso wie die Menschen unter der Hitze des Tages gelitten hatten, rührten sich leise.
    »So geht es nicht«, sagte Percival in die neu entstandene Stille hinein.
    Hanska wartete weiter.
    »Mit Joan jedenfalls nicht. Ich bin kein Charity Child. Werd’s auch nicht. Mein eigenes Pferd muß ich wiederhaben.«
    »Magst du den Grauschimmel nicht? Er hat seinen Reiter verloren.«
    »Ich mag ihn, er mag mich. Robert war mein Freund. Joan war Roberts Frau. Soll sie das Tier reiten. Ich zieh’ auch aus der Kammer aus. Habt ihr Platz für mich? Wir könnten tauschen.«
    »Einen kleinen Platz haben wir. Aber aus dem Blockhaus zieht von uns keiner aus. Hast du dein Mädchen wiedergesehen?«
    »Ja. Wir sind uns wieder einig. Es war nur der erste Schock bei ihr. So stabil wie deine Ite-ska-wih ist sie nicht. Aber sie ist wieder die Meine. Jung und ein bißchen lustig. Ich muß nur hier weg und auf mein eigenes Pferd.«
    »Eifersüchtig ist sie also. Überleg dir das alles dreimal, Percival. Joan kann dir eine gute Gesichtsplastik bezahlen. Im Herbst fahren wir alle nach Kanada. Da wär’s möglich.«
    »Bezahlen? Das ist’s ja. Damit ist Schluß. Robert war mein Freund, ein großartiger Kerl. Ich bin kein Robert-Ersatzprodukt. Also gehe ich. Aber mein Pferd muß ich wieder haben. Wie mach’ ich das?«
    »Hast du genug Geld? Auf Abzahlung werden sie sich nicht einlassen.«
    »Es ist eine Probe, verstehst du? Wenn das mit dem Pferd nächsten Sonntag okay ist, glaub’ ich wieder an mich. Du reitest den Rappen. Ich sag’ dir ein paar Tricks, auf die er reagiert.«
    »Percival! Wenn das Pferd sich im Rodeo bewährt, bezahlst du den doppelten Preis. Mit Tricks zu schieben, das ist Unsinn in dem Fall. Meinst du nicht auch?«
    »Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es besser, wenn alles schiefgeht. Das kann ich auch machen. Dann wird das Pferd billig.«
    Hanska brachte eine Zigarette zum Brennen, um Zeit für seine Antwort zu gewinnen.
    »Schlaf drüber, Percival. Noch hast du ein paar Tage Zeit zum Nachdenken. Gehen wir ins Blockhaus?«
    »Geh du. Ich bleib’ heut draußen. Schön ist die Nacht in den Wiesen. Im Sommer.«
    Hanska sagte nichts mehr. Er erhob sich ohne Eile

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