Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
und ging, seine Zigarette ausrauchend, langsam zur Blockhütte, langsam, aber nicht gemütlich; gemütlich war ihm nicht zumute.
    Die Blockhaustür stand offen, alle Schläfer wünschten sich die lauwarme Nachtluft. Auf der Schwelle saß Ite-ska-wih. Hanska freute sich darüber; er freute sich immer, wenn er sie sah. Sanft legte er den Arm um ihre Schultern.
    Sie war aufgestanden, und da sie Lust hatte, noch ein paar Schritte zu gehen, gingen sie zusammen hinter dem Blockhaus ein wenig höher und setzten sich dann; auch von hier konnte der Blick weit über das Tal und die weißen Felsen schweifen.
    »Percival hat sein Mädchen wiedergesehen«, sagte sie.
    Hanska war verblüfft. »Das weißt du? Weißt du etwas über sie?«
    »Elwe kennt sie. Joan tut mir leid. Es ist zwar kein schlechtes Mädchen, sagt Elwe, fünfzehn Jahre alt, kräftig, lustig. Die Burschen sind schon hinter ihr her. Sie hat Lebensmittel in den Ring gebracht. Jetzt will sie Percival wieder haben. Sie läßt nicht locker. Joan, sagt sie, habe sich nicht um Robert gekümmert; als er im Ring war. Nun spiele sie sich auf als einsame Witwe und wolle sich Percival kaufen. So seien die weißen Frauen.«
    »Dieses Mädchen redet zuviel.«
    »Aber Percival ist besessen, wenn er an sie denkt.«
    »Besessen, ja, wahrhaftig. Ist das ein Wunder?«
    »Liebe ist immer ein Wunder, ein guter Geist, Hanska. Meinst du nicht? Aber ein böser kann sich dazwischen schleichen. Du hast als Wahlsohn des Inya-he-yukan viele Rodeos miterlebt? War eines schon so verwirrt?«
    »Verwirrt zuweilen schon – Sattelgurt angeschnitten, Pferde unehrlich verteilt – aber nicht zwischen uns Indianern. Der Zwist, den der Killerchief in unsern Stamm hineingetragen hat, zischt jetzt überall und streckt seine giftige Schlangenzunge heraus. Percival wollte mir schon Tricks empfehlen. Für einen guten Zweck ein trauriges Mittel. Himmel und Erde versinken rings um ihn, auch der Himmel und die Erde des Indianers. Er sieht nur noch das Pferd und das Mädchen. Alles andere ist dunkel. Könntest du ihn noch heilen, Ite-ska-wih? Er ist ein Opfer der Killer, die nicht nur sein Gesicht zerstört haben. Ein heiler Percival hätte sein Pferd, würde selbst auf dem Rodeo reiten, kaum schlechter als ich, und sein Mädchen wäre ihm sicher.«
    »Ich kann jetzt nichts tun. Nicht für Percival. Du aber weißt, Hanska, wie du dich entscheidest.«
    »Ich stelle mich, ich reite auf Sieg. Es ist alles klar in mir.«
    Damit war das Thema Rodeo für das Blockhaus abgeschlossen. Percival zog ein, blieb aber in der gleichen Woche drei Nächte weg. Hanska trainierte nicht speziell für den Rodeo, sondern suchte sich tolle, junge Pferde zum Zureiten. Der Großvater schaute schmunzelnd zu und gab des Abends Erinnerungen zum besten. Die brodelnde Unruhe war von praktischen Aufgaben zugedeckt; sie konnte nicht mehr durchstoßen.
    Es wurde Sonntag. Das Sonnenwetter hielt an. Die Organisatoren des Rodeos durften zahlreiche Besucher, damit ein großes Geschäft erwarten. Das Programm war gedruckt; die Pferde wurden darin nicht genannt. Hanska fuhr mit Ite-ska-wih nach New City, einen Tag vor der Veranstaltung, wie es für Teilnehmer üblich war und wie es auch Joe Inya-he-yukan stets gehalten hatte. Mary durfte mit; am folgenden Sonntag konnten sich die Zwillinge wiedersehen. Ite-ska-wih saß still neben ihrem Mann und ließ alles, was ihr über den kommenden Rodeo gesagt worden war, noch einmal in Phantasiebildern an sich vorüberziehen. Im Mittelpunkt eines großen Kreises von lassowerfenden Cowboys, Männern, die einen Stier ins Gras warfen, Reitern, die das Unglaubliche mit und ohne Sattel leisteten, stand für sie das schwarze Pferd, ein Tier ohne Arg – und doch unheilkündend, weil es verurteilt war, dem Unverstand und der Grausamkeit von Menschen zu begegnen, die einen Kampf zwischen Tier und Mensch auf die Sekunde abgezirkelt ablaufen lassen wollten. Percival, der Reiterfreund des Rappen, würde sich nicht in der Arena sehen lassen; er hatte sich nicht zu melden versucht, und seine Anmeldung wäre auch nicht angenommen worden. Daß er überhaupt zum Rodeo kommen wollte, hatte sich aus einem Ratschlag Ite-ska-wihs ergeben, die seine schmerzvolle Verlegenheit beobachtet hatte. Er hatte sein Gesicht wie ein Verletzter bis unter die Augen sachgerecht verbinden lassen; der Hut verbarg den halb kahlen, blutroten Schädel.
    Der Jaguar lief auf der asphaltierten Straße auf New City zu. Ite-ska-wihs Gedanken sprangen

Weitere Kostenlose Bücher