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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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aus der Gegenwart hinaus, um Inya-he-yukan herbeizurufen. Was würde er aus diesem Rodeo gemacht haben? Hanska war sein Wahlsohn. Auch Hanskas Hände führten Steuer und Zügel leicht und sicher, wie es von Inya-he-yukan erzählt wurde. Dachte Hanska in diesem Augenblick das gleiche? Dachte er auch an seine ermordete Mutter, die bei der Fahrt auf dieser Strecke an dem Platz gesessen hatte, an dem jetzt Ite-ska-wih saß? Sein Gesicht war ohne Lächeln.
    Man war früh aufgebrochen und gelangte am hohen Vormittag nach New City. Hanska vermied die Hauptstraßen und steuerte zu Margret, wo man übernachten wollte. Die Kinder in der Hütte drängten sich um Hanska, der wie ehemals Inya-he-yukan den kleinen Vettern und Basen Tütchen mit Nüssen mitgebracht hatte. Mit Mary waren sie vertraut und freuten sich, sie wiederzusehen. Der Schimmer von Trauer, den sie nicht verlor, entfernte sie von den Kindern und zog diese zugleich als das Besondere unwiderstehlich an. Der kaum dem Säuglingsalter entwachsene kleine Bruder hing an ihrem Hals. Harry hatte sich noch nicht sehen lassen, hatte aber eine Nachricht hinterlassen, er werde am Sonntag mittag kommen; es gehe ihm gut bei Rodeo-Mike. Rex, ein ehemaliger Cowboy, später Gefängnisaufseher und jetzt im pensionsfähigen Alter, habe sich auch sehen lassen. Schiedsrichter für die Wettkämpfe zu Pferd sei der junge Mac Donald, Sohn des alten Donald. Das mochte angehen, meinte Hanska, obgleich er als launisch bekannt sei.
    Hanska fuhr mit Ite-ska-wih zum Rodeogelände, um im Büro seine Anwesenheit zu bestätigen. Er wurde gleich gefragt, ob er nicht für einen ausgefallenen Teilnehmer beim einfachen Kälberfangen mit Lasso mittun wolle; da ihm das nicht viel Mühe machen konnte, zahlte er die Gebühr ein. Die beiden anderen Konkurrenzen, Pferd mit und ohne Sattel, waren schwierig, auch für den Reiter anstrengend und gefährlich. Unfälle ereigneten sich dabei sehr häufig. Hanska fragte nach dem Namen des Rodeoarztes. Im Büro war man über diesen Wunsch erstaunt, verstand ihn aber, als Eivie, der zufällig anwesend war, Hanska sogleich erkannte und herzlich begrüßte. Auf der Reservation hatte der Killerchief Doc Eivie nicht mehr geduldet. Aber in New City war der bei Indianern wohlangesehene Arzt gut am Platze.
    »Wann kommt Joe endlich wieder?« forschte er.
    Hanska antwortete nur mit einem langen Blick.
    »Auch der? O Gott, sagen Sie, daß er noch lebt!«
    »Ich sage es nicht, Doc.«
    Der Arzt setzte die Brille ab und wischte sich die Augen. Hanska und Ite-ska-wih nahmen sich zusammen.
    Die nächsten Stunden verliefen mit den Besuchen im Haus der Indianerbewegung und im Museum bei Oiseda. Zu Krause fuhr Hanska nicht hinauf, denn er war sicher, daß sich der alte Büchsenmacher mit seinem Sohn schon als Rodeobesucher in New City umhertrieb. Die ganze Stadt hatte, wie üblich, den Cowboylook angenommen. Wurden Cowboyhüte in dem rauhen Klima immer gern getragen, so dominierten sie jetzt absolut. Man sah viele Reitstiefel, einfache, verzierte, billige und solche aus teurem weichem Leder. Irgend etwas, wenn auch schwer zu sagen was, unterschied die zünftigen Reiter, Cowboys und Professionals von den vielen, die die Kleidung wie zur Maskerade trugen. Von den Echten waren nur wenige auf der Straße zu finden, auch nicht viele in den überfüllten Cafeterias, Steakhäusern und Restaurants. Es gab nur da und dort ein Gasthaus, wo sie sich traditionsgemäß zusammenfanden.
    Hanska war Nichttrinker wie sein Wahlvater. Er hatte auch keine Lust, sich Klatsch und Gerüchte anzuhören oder seine eigene Person zur Schau zu stellen. Nachmittags schon begab er sich mit Ite-ska-wih wieder in sein Quartier bei Margret. Die entspannte Ruhe, die er sich wünschte, war hier zu finden. Man saß und lag umher, Hanska träumte seine Ritte, Ite-ska-wih träumte Hanska und den schwarzen Hengst, Mary, deren indianischer Name Wable-luta-win, Rotadlermädchen, lautete, träumte das Wiedersehen mit ihrem Zwillingsbruder Harry Kte Ohitaka. Margret wiegte das jüngste der Kingkinder in ihrem Arm. Die Gewißheit, daß sie ihren Bruder Joe Inya-he-yukan nie wiedersehen würde, wollte ihr das Herz fressen.
     
    In der Nacht war es sehr still in der Hütte. Am Morgen fuhr Hanska in Tonne und Eimer Wasser vom Brunnen für alle herbei; die Kinder pantschten und lachten, Hanska legte seine Rodeoreitkleidung an, die schmucklosen schwarzen Reitstiefel aus bestem weichem Leder, die schwarzen Hosen, das schwarz

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