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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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alkoholfreien Getränken an die erwarteten Rodeogäste wurden aufgestellt. Harry beobachtete vor allem die Stallknechte, die vorbeigingen. Auf ihn hatte bisher noch niemand geachtet; wahrscheinlich hielt man ihn für ein Kind eines der Arbeiter.
    Endlich gelang es ihm, eben in dem Augenblick am Platz zu sein, als ein Pferdeknecht in den Stall ging. Harry schlüpfte hinter ihm her, ohne zunächst bemerkt zu werden.
    Da standen die Rodeopferde. Die speziellen Rodeosättel wurden wohl an anderer Stelle sicherer verwahrt. Es hatte schon viel Ärger gegeben mit angeschnittenen Gurten. Der Stall war neu. Zur Zeit, als Joe Inya-he-yukan hier zum erstenmal geritten war, war dergleichen noch nicht vorhanden. New City’s Rodeo war größer geworden, allerdings immer noch von nur lokaler Bedeutung.
    Harry sah sich um und entdeckte den Rappen, der sofort auffiel, weil es kein zweites schwarzes Pferd im Stall gab. Er lief ungeniert zu dem Tier und glitt bis zur Krippe hin. Der Rappe stellte sich schräg und hielt den Jungen damit bei sich fest. Harry sprach leise mit ihm und durfte ihm das Fell streicheln.
    Es konnte nicht ausbleiben, daß er entdeckt wurde. Der Stallknecht, ein alter Mann, der vermutlich früher Cowboy, vielleicht sogar professioneller Rodeoreiter gewesen war, lachte zornig.
    »Wo kommst denn du her, du Bursche! Willst du sofort von den Pferden weg!«
    Harry lief zu dem Mann. Der Rappe hatte ihn freigegeben. Die Art und Weise, wie Harry mit dem Tier fertig wurde, hatte gezeigt, daß ihm Pferde nichts Fremdes waren.
    »Willst wohl auch schon Rodeo reiten, du Baby-Cowboy! Rück raus, wer hat dich geschickt, wie heißt du, wer bist du?«
    »Harry King, der Sohn von Joe King.«
    »Was? Von Joe, dem Calgary-Sieger?«
    »Ja.«
    »Donner. Aber das beweist du mir, daß du aus dieser Schule kommst. Hopp mit dir, hinauf auf den Rappen.«
    Harry hatte keine Bedenken zu gehorchen. Er begab sich wieder zu dem Pferd und schwang sich auf den sattellosen Rücken. Der Rappe ging vor und zurück, soweit ihm das die Kette erlaubte, aber er bockte nicht, sondern war vermutlich begierig, aus dem Stall hinausgeritten zu werden. Harry klopfte ihm den Hals. Er wußte, daß die Tiere nur bockten, wenn ihnen ein quälender Riemen angelegt wurde, allerdings auch, wenn es ihnen bei anderen Gelegenheiten einfiel, zu dem einmal eingelernten Bocken überzugehen.
    »Das ist ja… wie alt bist du?«
    »Zehn.«
    »Das ist ja… der schwarze Teufel geht sonst auf jeden los. Sie wollten ihn schon zum Wallach machen, weil es sonst noch ein Unglück geben kann.«
    »Verlost ihr die Pferde?«
    »Nein, die Mode machen wir nicht mit. Dabei wird auch geschoben. Wir teilen zu nach guter alter Manier.«
    »Wer macht das?« fragte Harry, hoch zu Roß mit ein wenig Herablassung.
    »Da hab’ ich allerdings auch ein Wort mitzureden.«
    »Dann gib den schwarzen Hengst dem Hanska Bighorn. Das wird die Sensation.«
    »Hanska… Wer soll denn das sein? Hanska haben wir nicht. Aber… Bighorn, sagst du?«
    »Ja. Bighorn.«
    »Joe Bighorn heißt der. Glaub’ auch, daß er was kann. Den Schwarzen dem Joe Bighorn. ›Die Sensation‹. Mach’ ich. Aber halt den Mund. Hast du nicht Ferien?«
    »Hab’ ich.«
    »Willst du mir die paar Tage bis zum Rodeo helfen? Geld kriegst du aber nicht.«
    »Ich mach’ das.«
    »Dann wohnst du und ißt du solange bei mir. Mit den Reitern darfst du dich nicht abgeben.«
    »O. k. Nur rasch meine Sachen holen.«
    Harry rannte hinaus, durch die Stadt, zu den Slums, zu Margret. Er war außer Atem.
    »Der Rappe ist da. Ich bleibe bei den Pferden, helfe bis zum Rodeo. Hanska kriegt den Rappen. Für den Ritt mit Sattel. Wird die Sensation. Sag ihm das, Tante Margret, und gib mir noch ein Hemd, bitte. Ich wohne und esse bei Rodeo-Mike.«
    Harry erhielt das Gewünschte, war auch schon wieder draußen und rannte zurück, wie von Flügeln getragen nach seinem Erfolg.
    Als Hanska und Ite-ska-wih gegen Abend zu Margrets Hütte zurückkehrten und Harrys Nachricht erhielten, daß der Rappe da sei, zeigte sich Hanska recht zufrieden. »Rodeo-Mike ist zuverlässig.« Ite-ska-wih freute sich mit über Harrys Erfolg.
    Ohne Sorgen – wie es wenigstens schien – kehrten die beiden zu Anfang der Nacht ins Blockhaus zurück. Die innere Unruhe, die Hanska ergriffen hatte, verbarg er. Nur Wakiya-knaskiya spürte etwas davon, aber er ließ das wiederum die andern nicht merken. Warum auch. Sollte er die Freude darüber, daß Harry heimgekehrt war,

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