Das helle Gesicht
gemusterte goldgelbe Hemd, das schwarze Halstuch, den schwarzen Cowboyhut. Inya-he-yukan hatte beim Rodeo stets schwarz getragen, dazu ein gelbes Halstuch. Die Farben stimmten überein. Gelb war die Sonnenfarbe, dem Indianer heilig; schwarz eine Farbe des Menschen im Unterschied zu anderen Geschöpfen. Inya-he-yukan und sein Wahlsohn Hanska nahmen Wettkämpfe noch ernst; sie ordneten sie in das Wichtige des Lebens ein; Geschäftsinteresse war für sie nicht damit verbunden, in ihrem Bewußtsein nicht einmal, wenn sie, wie jetzt Hanska, das Geld der Preise für ihre Pferde brauchten.
Margrets Kinder sahen in Hanska ihren Vetter, Mary ihren großen Bruder; sie bewunderte ihn, denn er hatte viel vor. Ite-ska-wih übersah die große Familie; sie sah nur Hanska.
Ite-ska-wih und Mary durften im Wagen zum Rodeogelände mitfahren, die andern machten sich zu Fuß auf den Weg. Beim Rodeogelände mußten sich Hanska und Ite-ska-wih trennen. Er ging zu den Teilnehmern, die mit Mary auf die Wiesenplätze für Besucher. Zwar hätte Ite-ska-wih ein Tribünenplatz zugestanden, nicht aber der ganzen Familie, und so verzichtete auch sie darauf. Mit Mary wartete sie bei dem Wagen; das Gelände zwischen den parkenden Wagen und dem Raum für die Besucher, die auf den abfallenden Wiesen standen oder saßen, war ganz offen. Abrede der Familie war, sich beim Wagen zu treffen.
Der erste, der auftauchte, war Harry. Er hatte den Jaguar und seine Schwester erspäht und kam mit ausgreifenden Schritten herbei, aufrecht und strahlend, das Braun seiner Haut leuchtete, da die Sonne es belebt hatte. Bruder und Schwester standen voreinander. Sie sagten nichts, denn was sie einander sagen wollten, gehörte nicht auf eine Rodeobesucherwiese, nicht ins Menschengewimmel. Stumm aber sprachen sie miteinander; ihre Augen waren lebendig. Ite-ska-wih störte sie nicht.
Sie beobachtete ihre Umgebung und erkannte weit entfernt Percival und sein Mädchen. Die beiden hatten Ite-ska-wih nicht entdeckt oder wollten sie nicht gesehen haben; sie kamen nicht herbei. Margret erschien nach geraumer Zeit mit der gesamten Kinderschar, Großen und Kleinen. Noch konnte man sich günstige Plätze auf der Wiese suchen. Die Jungen und Mädchen zwischen acht und fünfzehn Jahren, unter ihnen auch Harry und Mary, rannten hinunter zu dem hohen Zaun, der die Arena einschloß, und kletterten schon daran hinauf, um darüber hinweg die zu erwartenden Spiele und Kämpfe der Cowboys, Rinder und Pferde aus nächster Nähe beobachten zu können. Ite-ska-wih und Margret ließen sich auf den ihnen passend erscheinenden Aussichtsplätzen nieder, von den Kleinkindern umgeben. Noch war allerdings nichts zu sehen.
Die Würstchen- und Getränkebuden waren schon geöffnet. Bis zum Beginn der Veranstaltungen würden aber noch immer Stunden vergehen. Ite-ska-wih hatte ein Programm in der Hand. Zuerst sollten die Wettbewerbe im Fangen und Fesseln der Kälber stattfinden, eine rechte Cowboy-Berufsarbeit; Sieger würde der sein, dem es am schnellsten gelang. Es folgte das Kälberfangen im Team, in der Praxis seltener angewandt. Ein Teilnehmer mußte das Lasso über den Kopf des Tieres werfen, ein zweiter von unten gleichzeitig sein Lasso um ein Hinterbein des Kalbes; das war recht schwierig und gelang nicht oft. Die Spannungssteigerung war wohl berechnet. Nach dem Kälberfangen würde das Reiten ungesattelter bockender Pferde stattfinden – Inya-he-yukans Lieblingskunst –, als folgende Nummer das Steer-wrestling, als letzte das Reiten gesattelter bockender Pferde, für die Besucher der Höhepunkt des Tages.
Über dem Studium des Programms hatte keiner Bill Krause bemerkt, der seinen Spaß daran fand, sich leise zu nähern. Sein indianischer Pflegesohn war bereits unten am Zaun. Krause packte aus; es gab auf diese Weise ein Lunch für alle; die Zaungäste eilten herbei, griffen zu und waren auch schon wieder weg, um ihre Plätze nicht zu verlieren.
Ite-ska-wih ließ das alles an sich vorbeigleiten wie ein buntes Spiel, dem sie, zuschaute, ohne innerlich daran beteiligt zu sein. Sie dachte und fühlte nur: Hanska, Hanska. Das schwarze Pferd.
Fast erschreckt war sie, als sie angesprochen wurde. Percival und sein Mädchen standen neben ihr.
Sie nahm die Wirkung in sich auf, die bei der Begegnung von Menschen das vermittelt, was »der erste Eindruck« heißt. Das Mädchen ging Percival bis zur Schulter, hatte abgerundete, leicht bewegliche Glieder, einen vollen Mund, lebhafte Augen. Sie zeigte
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