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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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stören? Mary lächelte zum erstenmal wieder und erzählte ihrer Puppe, die sie wie einen Talisman betrachtete, phantasievoll, was ein Rodeo sei. Sie wußte sehr genau Bescheid.
    Nur Hanska konnte über seine innere Unruhe nicht Herr werden.
    »Ihr tut alle so, als ob ich schon zwei erste Preise in der Tasche hätte«, sagte er des Nachts zu Ite-ska-wih, die an seiner Schulter lag, und er sagte es absichtlich nicht so leise, daß die andern in der Hütte es nicht hätten verstehen können.
    »Du bist ein ausgezeichneter Reiter, Hanska. Mit zwölf Jahren…«
    »Hör mir davon auf. Ich werde mitten unter erfahrenen Professionals reiten, habe aber seit Monaten kein Training gehabt. Der gute Harry meint, das werde eine Sensation, wenn ich auf dem schwarzen Pferd sitze. Ich auf dem Rappen – sagte er nicht so? Eine Sensation. Kann schon sein. Dieser Hengst kennt noch keinen Rodeo, er hat keine Routine, ist also völlig unberechenbar. Er weiß noch nicht, daß der Wettkampf nur acht Sekunden dauert, und bildet sich ein, es ginge um sein Leben. Er ist imstande, völlig Verrücktes zu tun.«
    »Rodeo-Mike denkt doch offenbar auch…«
    »Ein Spinner ist der gute Onkel geworden. Ein solches Pferd tut das Überraschendste in einer verblüffenden Situation. Es bockt und beißt, stampft auf dem Reiter herum, wenn es ihn drunten hat, oder es steht da wie aus Stein, tut überhaupt nichts – vielleicht legt es sich auch hin und ist nicht mehr hochzukriegen in der gegebenen Zeit. Das ist alles drin, Ite-ska-wih. Das Dümmste bei der Sache ist, daß ich diesmal das Geld brauche. Die Kaution für Wasescha habe ich zurück. Ich will mir aber Dorothys Appalousahengst kaufen, brauche ihn zu unserer Stute – und zwei Stuten zu dem Schecken. Wir dürfen sie ja jetzt mit auf Myers Weiden treiben. Aber Hafer muß ich zusätzlich beschaffen.«
    Ite-ska-wih legte die Hand auf Hanskas Stirn. »Ich sage nichts mehr, Hanska. Ich wünsche nur noch, still und einfältig.«
    »Ite-ska-wih«, fuhr Hanska, nun sehr leise, fort, »du hast noch keinen Rodeo miterlebt, deshalb erzähle ich dir das alles. Einen Mißerfolg tapfer ertragen, das ist leichter, wenn man sich schon darauf vorbereitet hat. Du mußt auch bedenken, daß wir nicht in einen ganz ehrlichen Wettkampf gehen. Nach dem Aufstand ist die Stimmung der Watschitschun gegen uns. Eine Anzahl von Bewerbern wird die Zeit machen, acht Sekunden auf dem gesattelten und zehn Sekunden auf dem ungesattelten Pferderücken bleiben. Dann entscheiden die Punkte, die der Schiedsrichter für das Verhalten des Reiters, für seine Haltung gibt; da beginnt die Willkür. Ich weiß nicht, wer Schiedsrichter sein wird.«
    »Sie sind wohl nicht alle so wie Rodeo-Mike?«
    »Onkel Rodeo-Mike ist ein Stück alte Zeit, wie Krause es ist und Großvater Myer. Die andern sind Businessmen, überhaupt ist jetzt der Rodeo in New City auch schon als Business aufgezogen und sonst nichts. Ich mache das jetzt noch einmal mit, aber ich überlege schon, wie wir unsern stammeseigenen Rodeo nach unseren Sitten wieder aufziehen können. Über dem großen Zwist im Stamm ist es in Vergessenheit geraten.«
    »Du hast es nicht leicht, Hanska.«
    »Mein Sonnengesicht. Ich werde nun viel ruhiger reiten; du weißt jetzt, wie schwierig alles ist, und du liebst mich, auch wenn ich mich nicht als Champion aufputzen kann.«
    »Ich möchte noch etwas wissen, Hanska.«
    »Ja?«
    »Sind die Alten denn besser als die Jungen? Die Alten haben uns einst das Land weggenommen.«
    »Haben sie. Aber ein paar von ihnen sind dann selbst unter die Hufe gekommen. Was ist Rodeo-Mike heute gegen die Zeiten, als er mit zwanzig Jahren Allround-champion war, alle Arten Wettbewerbe gewann? Oder der alte Krause, der ein Gun repariert, gegen den jungen Krause, der im Waffenhandel viel Geld machte? Oder Großvater Myer auf Reservationsland gegen den jungen Myer in den Zeiten, in denen ein kleiner Rancher noch frei aufsteigen konnte? Sie alle haben wenigstens einen Schlag davon abbekommen, was es heißt, abzusteigen. Das macht etwas aus. Kannst du nun schlafen?«
    »Ich glaube, Hanska, ich werde gut schlafen.«
    Ite-ska-wih tat einen tiefen Atemzug.
    Auch die abendlichen Abschlußgespräche am Familientisch Myer füllten sich mit Rodeofragen.
    Es hatte sich eingebürgert, daß Percival anstelle von Joan mitaß, nachdem Hanska wieder da war. Als Cowboy arbeitete er wie eine volle tüchtige Kraft. Solange Joan unterwegs war, bewohnte er deren Kammer und bezog auch

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