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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Augen auf. Sie saß in Isaacs Patriarchenstuhl, eine Decke lag über ihren Knien. Vor ihr stand Hanska.
    »Komm, Ite-ska-wih, ich trag’ dich heim.«
    »Es geht schon…«
    »Besser ist, ich trag’ dich heim. Der Braune läuft hinter uns her. Ja?«
    Ite-ska-wih fügte sich stillschweigend. Es war gut so.
    Im Blockhaus daheim schlief sie auf der Bank weiter. Sie war für einige Tage erschöpft, aber das Kind hatte keinen Schaden genommen.
     
    In den folgenden Wochen wirkten die Ereignisse und Erlebnisse des Rodeotages mit einer, man konnte sagen, unterirdischen Kraft weiter. Es wurde kaum mehr davon gesprochen, nur das Nötigste, aber man fühlte die Veränderungen.
    Percivals Haltung war zuversichtlich. Er hatte recht gehabt, das Pferd mußte gerettet werden, damit er zu sich selbst kam. Er hielt sich aufrechter, obgleich die Heilung seiner verletzten Schulter durch das rücksichtslose Handgemenge nicht eben beschleunigt worden war. Um die Überfüllung des Blockhauses auf ein angenehmeres Maß zurückzuführen, zog er wieder in Joans Kammer. Tagsüber war er viel mit Harry zusammen, nahm ihn auch mit auf die Weiden. Die beiden Freunde des Rapphengstes, der Erwachsene und das Kind, schlossen Bruderschaft. Sie ritten eines Tages zusammen zu Percivals Vaterhaus, um sich da mit dem Rappen sehen zu lassen und sich um Percivals Mutter zu kümmern. – Mary empfand es als Glück, daß Ite-ska-wih sich schonen sollte. Hanska hatte seiner jungen Frau die ganze Breite der Wandbank überlassen und legte sich auf den Boden; Mary konnte sich an Ite-ska-wih schmiegen, als ob sie wieder eine Mutter habe, bei der sie vor den wiederkehrenden Schreckensträumen beschützt war. Ray ging zurück zu Bob. Hanska hatte im Blockhaus am Boden sein breites Lager mit der angenehmen Rückenstütze, dem Dreifuß, von dem ein Fell herabhing. Harry richtete sich neben ihm ein. Die beiden sagten einander in der nächtlichen Stille, was bis dahin nicht ausgesprochen worden war. Hanska begriff, wie es in dem Kind arbeitete. Harry Kte Ohitaka dachte an den Tod seiner Eltern. Hanska verschwieg ihm nichts mehr.
    Untschida, Elwe und Wakiya nahmen auf der Wandbank den Platz übereck zu Ite-ska-wih und Mary ein.
    In der Arbeit war der Gleichklang leicht hergestellt. Untschida, Ite-ska-wih und Mary waren die Kunsthandwerker, Wakiya und Elwe die Pflanzer, Hanska, Percival und Harry die Hirten. Ray konnte mit Freunden, die einst Roberts Freunde gewesen waren, über Wasescha wachen und umherstreifen als Abschreckung für alle, die Diebes- oder Mordgedanken hegen mochten.
    Das friedliche Zusammensein kam auch den Tieren zugute. Der Rappe hatte seine beiden Freunde; Hanska sorgte dafür, daß der Scheckhengst sich nicht vernachlässigt fühlte und gleichwertige Gefährtinnen aus Myers Bestand erhielt. Ray hatte Dorothy noch überreden können, ihren Appalousahengst zum Decken der Appalousastute für ein Entgelt zur Verfügung zu stellen. Diese war trächtig. Ite-ska-wih ritt sie jetzt. Der Braune fand eine neue zärtliche Herrin in Elwe. Die kleine in sich gesicherte Gemeinschaft zog Gäste an, die die gute Luft der Freundschaft mit atmen wollten. Großvater Myer und Frau Myer ließen sich sehen, Wasescha, Tatokala, Hetkala machten mit den Kindern Besuch; die Morning Stars kamen. Norris Patton erneuerte seine Freundschaft mit Hanska und freute sich, auch Bob und Melitta zu treffen. Doc Eivie benutzte einen Abstecher auf die Reservation, um sich nach Ite-ska-wih zu erkundigen und Percivals Verband zu erneuern.
    Ite-ska-wih dachte hin und wieder daran, wie sie sich davor gefürchtet hatte, einsam inmitten einer Ranch von Weißen zu leben. Es war anders gekommen. Der Geist Inya-he-yukans und Tashinas waltete über dem altersdunklen Blockhaus. Alle besaßen, wie die Watschitschun es in ihrer Sprache hätten ausdrücken können, einen natürlichen Empfänger in sich, der die Nachwirkung zweier ungewöhnlicher Persönlichkeiten hochempfindlich aufnahm, in der weiten Prärie ungestört von fremden Geräuschen und pestartigen Gerüchen.
    Aber der friedliche indianische Kreis aus jungen Menschen stand mitten im Kampf; die Zerstörungswellen brandeten dagegen. Die endgültige, systematische Entwurzelung der Patrick-Bighorn-Familie hatte seine Mitglieder aufgeschreckt. Der Killerchief war noch am Werk. Noch immer betrieb er seine volksmörderischen Absichten. Bis zu der Möglichkeit, einen neuen Chief-President zu wählen, würden noch einige Monate vergehen. Es gab

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