Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
sortierte schon die Anfragen von Interessenten für Myer-Pferde. Joan war eine Weiße. Ihr indianischer Mann galt als tot, ihre Kinder, die Mischlinge, befanden sich in Kanada bei den Großeltern. Auch die Rassisten unter den weißen Ranchern auf der Reservation wurden Joans ungeteilte Bewunderer. Die »New City News« hatten ihr Bild gebracht, das Bild einer graziösen Frau auf einem graziösen Pferd.
    »Das wäre heute die richtige Frau für meinen Rufus«, sagte Frau Myer, mit einem leisen Ton der Eifersucht, während sie aus alter Gewohnheit eine Kuh für das Familienwohl melkte und das duftende Schwarzbrot, zu dem ihr der plattgesichtige Wirt Elisha von New City Mehl lieferte, aus dem Ofen holte. »Ja, das wäre sie.«
    »Rede nicht so viel dummes Zeug«, bemerkte der Großvater dazu. »Hast du nicht gehört, daß Joan uns verlassen und sich das Patrick-Bighorn-Land anlachen kann? Auf sie ist kein Verlaß. Wenigstens ist der scheusalgesichtige Cowboy jetzt wieder aus ihrer Kammer ausgezogen, und sie kann herein. Den Grauschimmel hat sie ihm geschenkt. Auf den jungen Cowboy wirft die Siegesreiterin eher ein Auge als auf deinen Rufus.«
    »Laß man; sie ist selbst noch jung, die Witwe«, war das einzige, was Frau Myer zur Antwort gab.
    Ite-ska-wih wurde traurig, wenn sie hin und wieder ein Wort von solchen Gesprächen auffing.
    Sie hatte aber einen neuen Faden eingefädelt, besser gesagt nach ihrer praktischen Vorstellungsweise: eine neue, lange gespaltene Stachelschweinsborste und hatte mit Hanska darüber gesprochen.
    »Sieh«, sagte sie, »dieser plattgesichtige Elisha, von dem du mir schon viel erzählt hast, besitzt die gefälschte Vollmacht, die Myers Enkelsohn sich für den Pferdeverkauf ausgestellt hat. Solange Elisha sie in der Hand hat, kann er Philip des Betrugs überführen und die Familie in Schande bringen. Philip wird nicht zurückkehren, er würde sich in Gefahr bringen. Er ist aber irgendwo gesehen worden. Elisha müßte die Bescheinigung hergeben und sein Geld zurückerhalten. Es ist ja nicht viel. Kann man das in Ordnung bringen?«
    Da sich Hanska und Ite-ska-wih jetzt nicht mehr des Nachts vor dem Einschlafen besprechen konnten, taten sie das am frühen Sommermorgen oben bei der Pumpe, wenn sie sich wuschen und dabei lachten, ehe die andern kamen.
    »Was meinst du, Sonnengesicht, wer mit dem Gauner Elisha fertig wird? Die Myers sind zu plump – stolz – ehrenhaft dazu.«
    »Ray. Denkst du nicht?«
    »Ray? Ja. Dem traue ich das auch zu. Gelingt es ihm, dann habe ich vielleicht diesen Philip wieder auf dem Halse. Da unsere Pferde auf Myers Wiesen weiden, würde es an netten Begegnungen gar nicht fehlen.«
    »Wir brauchen aber sowieso bald mehr eigenes Land, nicht nur, um Philip aus dem Wege zu gehen. Denke an deine fünf jüngeren Geschwister, Hanska. Die Kinder wachsen heran.«
    »Und wie schnell; Harry Kte Ohitaka ist schon ein halber Cowboy.«
    »Was ist mit dem ehemaligen Mac-Lean-Gelände? Dahin treibt ihr jetzt die Pferde kaum.«
    »Zu weitläufig für uns paar Männer.«
    »Und wenn Joan und Percival und Ron erst im Tal drunten wirtschaften?«
    »Hat Myer für sich kaum einen mehr.«
    »Nur dich und Harry. Er braucht seinen Enkel, und wir brauchen für uns und die Kinder…«
    »Verstehe. Du könntest Rancherin werden. Wer hat dir das alles eingeredet?«
    »Wasescha.«
    »Ah. Sieh an. Ich dachte schon Wakiya.«
    »Nein. Er will nur Platz haben für mehr Bäume.«
    »Gut, Sonnengesicht. Reden wir weiter, sobald wir nächstes Frühjahr die Fohlen haben, Appalousa und Schecken, die besten indianischen Präriepferde.«
    »Eine schwarze Stute bringt keiner?«
    »Noch nicht. Wird auch nicht einfach sein, eine zu finden. Der Hengst soll Araberblut in den Adern haben.«
     
    Als Joan heimkam, fand sie auf ihrer Kammer nicht nur einen Strauß Blumen, die Frau Myer für ihren Empfang gesucht hatte – mühsam, denn die Blütezeit der Prärie war schon vorbei –, sondern bemerkte auch, wie sich jedermann für Joan Howells Zukunft interessierte und besser darüber Bescheid wußte als diese selbst.
    »Dreht ihr alle durch?« fragte sie ihre Freundin Ite-ska-wih.
    »Ich glaube schon. Ist doch kein Wunder nach deinen Siegen.«
    »Nein, aber verständlich. Haverman macht auch schon Andeutungen. Gehen denn die Bighorns weg?«
    »Nicht alle. Ron und die Mutter mit den Kleinkindern möchten dableiben. Haben sie mir gesagt.«
    »Ja, bitte. Ich habe keine Ansprüche auf dieses Land.«
    »Aber guten Willen

Weitere Kostenlose Bücher