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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Bighorn. Ite-ska-wih holte sich den Braunen, winkte Hanska zu und ritt hinunter in das Tal, hinüber auf die andere Seite zu den Wiesen unterhalb der weißen Felsen, zu dem Haus der Bighorns. Einst war es von der Familie Booth bewohnt gewesen, zuletzt von Mary Booth, die dann ein Büffelstier zerstampft hatte, der nicht rechtzeitig abgeschossen worden war. Nach ihrem Tode waren die Bighorns eingezogen, entfernte Verwandte von Hanska und Wakiya, von diesen aber sehr verschieden.
    Ite-ska-wih hielt vor dem Haus. Es war rings nachtdunkel. Der Mond zog langsam am Himmel entlang, die Sterne glitzerten zahllos und unermeßlich fern; im Gras lagen die letzten Kühe, die die Bighorns noch besaßen. In einem Zimmer brannte Licht; der Schimmer leuchtete durch das Fenster. Ite-ska-wih machte ihren Braunen fest und klopfte an die Scheibe. Ein verhärmtes Gesicht unter grauem Haar erschien. Das Fenster wurde hochgeschoben.
    »Hallo, Ite-ska-wih!«
    »Mutter Bighorn. Darf ich zu dir hineinkommen?«
    »Warum? Ist dein Mann besoffen?«
    »Weder deiner noch meiner. Wir geben nur Coca-cola. Ich hab’ dir eine Flasche und eine Schüssel Festmahlzeit mitgebracht, weil du so allein bist.«
    »Komm herein.«
    Die Frau öffnete. Das Haus war verhältnismäßig groß, hatte eine Diele, drei Räume und eine kleine Küche. Isaak Booth hätte einst als, ein großer Rancher gegolten, war aber nach dem Tode seines Sohnes Harold Booth weggezogen.
    Mutter Bighorn empfing Ite-ska-wih in der Diele, nahm ihr Schüssel und Flasche ab und führte sie in das größte der drei Zimmer.
    Ite-ska-wih sah den großen schweren Tisch, Isaacs Patriarchenstuhl, einen Stuhl, der Mutter Bighorn zugehören mußte, da ihre Näharbeit dabei auf dem Tisch lag, und ein paar Hocker. Auf dem einen, am Tischende, saß einer der Söhne, ein Bursche von vielleicht 15 bis 17 Jahren, und reparierte kleines Werkzeug. Ite-ska-wih hatte ihn schon hin und wieder gesehen, wußte aber seinen Namen nicht, da man mit den Bighorn-Nachbarn selten zusammenkam. Er nahm von dem Gast keine Notiz, schien eher ärgerlich über die Störung und darüber, daß er nun beobachtet wurde. Ite-ska-wih wunderte sich. Warum war er nicht auch zum Festessen gekommen? Warum reparierte er des Nachts in der guten Stube statt tags vor dem Haus? Die Mutter stellte ihm das Essen und Trinken hin, das Ite-ska-wih von der Festmahlzeit mitgebracht hatte, aber er schob es mürrisch beiseite zum Platz der Mutter.
    »Ron, das ist Ite-ska-wih von drüben.«
    »Hhm.« Das klang abweisend. Aber nicht Ron hatte hier das Sagen, sondern die freundliche, abgearbeitete, von vielen Geburten erschöpfte Mutter Sarah Bighorn, die ihren Kummer über zwei Kinder, die Selbstmord begangen hatten, nie vergessen konnte. So viel wußte Ite-ska-wih. Sie setzte sich; Mutter Bighorn hatte sie darum gebeten. Ron klopfte und bohrte weiter.
    »Daß du in der Nacht hierher kommst!« sagte Sarah Bighorn kopfschüttelnd. »Wir haben schon gehört, daß dein Mann drei Preise gewonnen hat. Das ist viel.«
    »Ich hab’ mich gefreut. Das Leben in den weiten Wiesen mit den prachtvollen Pferden ist gut.«
    »Ich weiß nicht. Wir kommen zu nichts. Nachher, wenn wir umgezogen sind, bekommen wir mehr Rente. Das hat der Chief versprochen. Aber die Kinder, die werden mir wohl so manches Mal wegrennen – zurück ins Tal hierher – das seh’ ich kommen. Wenn sie auch nicht als ein rechter Cowboy mit dem Vieh arbeiten wollen – spielen auf der Weide wollen die Kleinen allemal.«
    »Es wird sie niemand wegscheuchen.«
    »Wenn ihr da seid, dann nicht. Wer weiß – ob ihr das Land nehmt – oder überhaupt bekommt. Einem Weißen würde der Chief es gleich geben.«
    »Das weiß ich auch, Mutter Bighorn. Er ist der Feind seines Volkes.«
    »Aber nun geh, Ite-ska-wih.« Mutter Bighorn warf einen scheuen Blick auf den mißgestimmten Ron. »Du kannst nicht so lange wegbleiben. Ich hab’ mich gefreut, daß du gekommen bist. Wenn nur der Mann nicht trinken würde – dann wär’ alles anders. Aber das läßt er nicht mehr.«
    Ite-ska-wih wollte sich auf den Weg machen. Auf einmal überwältigte die Müdigkeit sie vollkommen. Sie konnte eben noch eine Armlehne fassen; Mutter Bighorn half ihr, in den großen Sessel zu sinken, und schon war sie eingeschlafen.
    Sie wußte nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als sie anfing, mit noch geschlossenen Augen wach zu werden. Wo war sie? Es fühlte sich alles anders an, als sie gewohnt war. Endlich schlug sie die

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