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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gehen sollte, würde man auf dieser Reise die Woodmountains und Vater Beaver nicht mehr sehen.
     
    Auf der Reservation der Siksikau und der großen Ranch der Familie Collins befand sich alles wohl, soweit sich das auf dem Land, das die Watschitschun von dem vorbeifließenden Fluß abgeschnitten hauen, mit viel Überlegung hatte erreichen lassen. Das Getreidedreschen im stammeseigenen Druschhaus war im Gange. Die Herde schlanker Pferde, deren Schicksal einmal die Rodeos sein würden, galoppierten ledig über die Collins-Wiesen. Das Vieh grüßte sich mit Brüllen. Im Stall grunzten Schweine. Das Ranchhaus war geräumig und licht; die Terrasse bot gegen Abend den angenehm kühlen Aufenthalt.
    Hanska nutzte die Gelegenheit, um sich bei Collins und seiner Frau Evelyn zu diesem und jenem Rat zu holen. Wie lange liefen die Pachtverträge weißer Rancher hier? Wurde das Land rechtzeitig wieder frei für indianische Jugend, die nun aus dem Fonds ersparter Pachtgelder die landwirtschaftliche Ausrüstung erhielt? Ja? Das funktionierte weiterhin? Es war ein Vorbild. Lebte der alte Geheimnismann noch? Wie ging es Rote Krähe?
    Der Alte war noch am Leben. Nein. Rote Krähe hatte nicht geheiratet. Nicht wenige Geheimnismänner lebten ehelos. Die beiden waren wieder hinaufgezogen zum »Tal des kleinen Fisches«; dort irgendwo mußte ihr Zelt zu finden sein. In Ite-ska-wih rührte sich die Erwartung auf die neue Begegnung stärker. Auch Hanska wurde unruhig und wollte sich nicht allzulange aufhalten. Am nächsten Tag schon begann die Fahrt zu dem Bergtal, dem Platz vieler Erinnerungen, die sich plötzlich wie mit blutvollem Leben erhoben.
    Hanska und Percival hatten ihre Jagdgewehre dabei. Das Bergtal lag im stammeseigenen Jagdgebiet.
    Abends erreichten die Wagen auf der einsamen Straße den Taleingang. Die Motoren verstummten. Die Kinder schauten und blieben leise. Anstelle des großen Zeltes, das für die Zeit der Exkursion bei Collins geblieben war, stellten Harry und Mary zwei kleine geliehene Jagdzelte auf und statteten sie mit Decken aus.
    Die Luft war rein, wohltuend, feucht, erfüllt vom Duft des Wassers und der Bäume. Der durchsichtige Bach klickerte, sprühte, plätscherte über roterdiges Gestein, fing die Sonnenstrahlen, mußte sie wieder loslassen, spiegelte sie von neuem, ließ sich von ihnen bis auf den Grund durchschauen. Sein Wasser schmeckte kühl und köstlich. Das Gras war saftig-grün und kräftig; jeder Halm hatte seine Form und seine besondere Farbe im Abendlicht. Die Gäste, die die Natur hier als die ihren empfing, gingen langsam am Ufer hin und her; die Spannung wich aus ihrem Körper und ihren Gliedern. Sie fühlten sich frei, leicht wie Vogelschwingen. Hanska und Wakiya begannen fröhliche Geschichten und Geschichten ernster Jagdgefahren zu erzählen, die sie hier mit Inya-he-yukan erlebt hatten. Mit Bär, Luchs, Wolf, Elch konnte man rechnen. Percival richtete ein kleines Feuer, die Flämmchen flackerten und knisterten. Sie sollten sich nicht verbergen, sie sollten unerwünschtes Getier verscheuchen.
    Die Schatten wuchsen, kaum merklich, aber unversehens waren sie groß. Die Sonnenkugel hatte sich zu den Bergen herabgelassen, die das Tal einschlossen; sie verströmte ihr rotes Blut, wurde schwächer und schwächer und schwand dahin. Die Berge, eben noch wie ein Lichtzauber schwerelos thronend, wurden schwarz, schwer, drohend. Der Bach schien lauter zu rauschen. Im Walde rührte es sich von schwer abzugrenzenden Geräuschen, ein Rascheln da, ein Kratzen dort.
    Ein Fauchen.
    Ja, ein Fauchen.
    Die Kinder wurden in die Zelte geschickt.
    Ein Luchs?
    Nein, nur eine Wildkatze, die auf Beute ausging. Auch sie war gefährlich, liebte es, die Augen der Beute anzuspringen und auszukratzen. Für einen Schuß ließ sie sich nicht sehen.
    Die Männer wickelten sich in ihre Decken und behielten die Waffen bei sich. Sie schliefen im Freien, jeweils mit einem als Wache. Die Zelte blieben den Kindern und Ite-ska-wih überlassen.
    Die Morgensonne kam spät in das Tal; die Gipfel strahlten und glühten längst im immer neuen Wunder des Lichtes; ihre Schwere war wieder geschwunden; sie waren wie dunstige Helle. Der Bach lachte und quirlte sich über die rote Erde hinweg.
    Schwer war die Frage, wer bei den Wagen zurückbleiben solle. Percival entschied, daß er sie in Obhut nehmen werde. Von der Wanderung sollte keiner der Männer ausgeschlossen bleiben, der den Talweg in die Höhe schon mit Inya-he-yukan gemacht hatte und

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