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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gewesen, die Hoffnung aber groß. Jetzt prangte die Sonne, die Hoffnungen aber waren beschränkt. Vater Beaver kam nicht auf ein »hättet ihr« und »wäret ihr« zu sprechen. Er freute sich mit an den neuen Erfolgen, die der King-Bighorn-Clan verwirklicht hatte, in kurzer Zeit, mit Maß und mit Härte gegen sich selbst. Das Erlebnis derer, die als Aufständische im Ring der Militärpolizei eingeschlossen gewesen waren und die Menschenrechte des Indianers vor aller Welt eingeklagt hatten, schien ihm nach wie vor fern zu bleiben; er sprach nicht davon, fragte auch nichts in dieser Richtung.
    Als man nach dem Essen noch auf die Weide ging und Hanska mit Percival Vieh und Pferde besichtigte, kam die Rede schließlich auch auf das Zelt des alten Inya-he-yukan, das gestohlen worden war.
    Vater und Mutter Beaver waren schmerzlich betroffen. Ihr Herz hing an den alten Stücken, die ihnen kostbar und unersetzlich waren. Inya-he-yukans Zelt! Kojoten, die es gestohlen hatten; Schande über sie. Es sollte ihnen kein Glück bringen, sondern Unheil.
    »Ich kann vier große Büffelfelle, frische Felle, für ein Tipi geben«, sagte Hanska. »Es wird sicher sein bei mir. Jetzt stiehlt mir keiner mehr etwas! Die Felle ist mir Kingsley schuldig, bei dem Inya-he-yukans Büffel weiden.«
    Beaver dachte nach. »Morgen reden wir darüber.«
    Der Morgen nach der geruhsamen Nacht in den Woodmountains war für alle ein frohes, sonneerwärmtes Aufleben. Die Kinder rannten auf der Weide umher und spielten, gar nicht zimperlich, mit den Pferden. Wakiya und Percival, die sich auf der Fahrt näher gekommen waren, saßen beisammen. Beaver nahm Hanska und Ite-ska-wih mit zu einer zweiten Ranch. Sie war sehr bescheiden, das Haus klein, das Vieh gering an Zahl. Hanska wunderte sich. Wie war das gekommen?
    »Wir haben viel durchgemacht«, berichtete Tschapa, der Biber, zum erstenmal. »Hunger, Krankheit, Feindschaft der Assiniboine im Kampf um die letzten Büffel. Der alte Tschetansapa, der Schwarzfalke, kam um. Seine Familie konnte sich nur schwer behaupten. Da seht ihr das kleine Anwesen. Anstelle von vier Büffelfellen würden sie sicher lieber vier Kühe nehmen, wenn du ihnen die geben kannst. Sie besitzen noch das schöne alte Zelt. Das haben sie auch in der größten Not nicht an Fremde verkauft. Du aber bist kein Fremder. Deine Frau trägt den Namen Ite-ska-wih in der vierten Generation.«
    »Gibst du ihnen jetzt sogleich die vier Kühe, Tschapa, wenn du von mir vier Büffelfelle erhalten wirst?«
    »Eines, Hanska, ein Büffelfell als Andenken an euch Tapfere, das würde ich mir wünschen. Glaub mir, wir haben Tag und Nacht an euch gedacht und Kummer um euch getragen. Die Enkel und Urenkel Tschetansapas haben euch bewundert, und ihre Kinder hätten heiß gewünscht, bei euch zu sein. Sie geben euch das Zelt ihres Ahnen nicht nur für vier Kühe, sie geben es gern.«
    »Meinen nicht auch sie, so wie du, Tschapa, daß alles vergeblich gewesen sei?«
    »Wir meinen das nicht, Hanska, so wenig wie der Kampf unserer Ahnen vergeblich war, obgleich sie geschlagen wurden. Der Geist des Getöteten und Geschlagenen steht immer wieder auf, solange er nicht versöhnt wird. Versöhnung aber begreifen die Watschitschun nicht.«
    Man ging zu den Nachfahren des Schwarzfalken, der im Kampf mit den Assiniboine um die letzten Büffel vor einem Jahrhundert in einen Hinterhalt geraten und umgekommen war.
    Die Planen wurden ausgebreitet. Sie waren noch von Tschetansapa selbst mit den Bildern seiner Taten bemalt worden. Stumm stand Ite-ska-wih mit Tschapa und Hanska davor. Ihr Herz klopfte bis zum Hals herauf, die Hände waren heiß. Tschetansapas altes Tipi, unverwüstliches duftendes Leder aus der Haut freilebender Präriebüffel, Schutz gegen Sturm, Kälte und Hitze, Träger der Zeichen von Tschetansapas Taten, Heim für Ite-ska-wih, die ihr Kind in diesem Zelt gebären wollte. Tschetansapa hatte zu den engsten Freunden des alten Inya-he-yukan gehört, oft mußte Inya-he-yukan in diesem Tipi zu Gast gewesen sein.
     
    Auf dem weiteren Wege von den Waldbergen zu der kanadischen Reservation der Siksikau rumpelte hinter dem Jaguar schon ein kleiner Anhänger her, in dem sich der Ballen mit den schweren Planen befand, bewacht von Harry Kte Ohitaka, der sich diese Aufgabe nicht nehmen lassen wollte. Sein sechsjähriger Bruder saß im Wagen bei Wakiya und Percival, die beiden Jüngsten nahm Mary zu sich auf die Rückbank im Ferrari. Da die Heimfahrt über California

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