Das helle Gesicht
Republiken gelebt, wie andere Stämme auch. Diese friedlichen Menschen waren verfolgt und beinahe ausgerottet worden. Auch unter ihnen fanden sich aber solche, die tranken und sich bestechen ließen, indianische Freiheitskämpfer zu überfallen.
Es gab noch viel zu tun.
»Das wird einmal auch eure Sache sein«, sagte Wakiya zu den Kindern. »Wir werden noch nicht damit fertig.«
Die Kinder horchten auf. Mary verstand schon voll und ganz, was Wakiya-knaskiya sagen wollte.
»Werdet ihr in San Francisco nur deinen Rencho besuchen?« fragte Rote Krähe. »Oder wollt ihr euch noch etwas weiter in California umsehen?«
»Ich hoffe, Rote Krähe, denn wann kommen wir wieder dorthin? Ich weiß aber nicht, wie lange es Hanska aushält, nichts von seinen Pferden zu hören.«
»Nicht zu lange, denke ich«, vermutete Percival und erinnerte sich dabei ohne Zweifel auch an den Rappen.
»Ich nenne euch aber den Namen einer Siksikau in Santa Barbara, falls ihr so weit südlich fahrt«, teilte Rote Krähe mit. »Sie ist eines unserer tüchtigsten Mädchen.«
»Erzähle«, bat Ite-ska-wih. Sie spürte, daß Rote Krähe etwas auf dem Herzen hatte, was nicht nur die unternehmenden Reisenden betraf.
Rote Krähe lebte auf. »Sie war schon als Kind ein wenig anders als die anderen. Sie dachte viel nach; manchmal stellte sie Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Das Baccalaureat machte sie als die Beste ihrer Klasse. Schön ist sie auch geworden, als sie heranwuchs.«
Rote Krähe bemerkte in dem Eifer, mit dem er sich aussprach, selbst nicht, wie persönlich er wurde. So hatte ihn Ite-ska-wih noch nicht erlebt, nicht einmal, als er um sie warb. Aber damals hatte er an dem Recht dessen, was er tun wollte, gezweifelt. Jetzt brauchte er wohl keinen Zweifel zu haben.
»Sie hat ein Stipendium für eine Collegeausbildung erhalten und ist medizinische Assistentin geworden. Ganz allein und einsam ist sie in der weißen Welt und hat sich doch als Indianerin behauptet. Sie ist ein paar Jahre älter als ich.«
»Ihr schreibt euch Briefe?« fragte Ite-ska-wih.
»Manchmal schreiben wir uns einen Brief. Wenn es etwas Wichtiges zu sagen oder zu fragen gibt. Sie verachtet mich nicht, obgleich ich nie auf ein College der Watschitschun gehen werde. Ich verachte sie nicht, obgleich sie es getan hat. Verschlungene Wege können zu dem gleichen Ziel führen. Meint ihr nicht?«
»Wir meinen es«, antworteten Ite-ska-wih und Wakiya.
»Wo ist sie jetzt?«
»Eben in Santa Barbara. Ein berühmter Chirurg der weißen Männer hat sie als seine Assistentin angenommen. Bringst du ihr einen Brief von mir, Ite-ska-wih?«
»Ja, dann müssen wir wohl bis nach Santa Barbara fahren.«
»Sowieso«, gestand Wakiya, »damit Percival eine neue Nase erhält.«
»Was soll das nun wieder heißen?« schalt Percival.
»Ganz einfach ist das«, erklärte Wakiya dem Ahnungslosen. »Deine Narben sind Zeichen deiner Tapferkeit und der Niedertracht deiner Feinde. Du wirst sie immer mit Stolz tragen. Aber du brauchst eine neue Nase, damit du wieder besser atmen kannst. Ich meine, eine vervollständigte Nase.«
»Das geht doch überhaupt nicht«, bestritt Percival, sachlich, als ob er von einem Fremden rede.
»Es geht, du wirst sehen. Wir haben die Empfehlung von Rencho an diesen Doc Raymund. Übrigens – wie heißt dein Mädchen, Rote Krähe?«
»Elizabeth Peck.«
»Sie soll unser Vorhaben unterstützen. Kann sie das? Dann werden wir ja sehen, was sie für ein Mensch ist.«
»Ein guter, Wakiya. So gut wie Ite-ska-wih, nur anders. Besser ist keine.«
»Doch älter ist sie.«
»Ja. Ich sehe aber, daß ihr Alter nicht richtig zählt. Alter, das ist für euch nur eine Zahl der Winter und Sommer. Alter ist aber auch ein Gewicht der Winter und Sommer. Die Winter und Sommer, die ich in der Lehre, in den Übungen des alten Geheimnismannes verbracht habe, ohne Eltern, ohne Geschwister, zählen doppelt und dreifach; ich habe sie oft als schwere Last getragen, dabei wurde ich aber stärker. Ich bin nicht mehr jünger als Elizabeth Peck.«
Ite-ska-wih wollte Rote Krähe in die Augen sehen, doch dieser gestattete es nur für den Bruchteil eines Augen-Blicks, dann wanderten seine Pupillen wieder weiter.
»Elizabeth Peck«, wiederholte sie.
Percival hielt den Kopf zur Seite geneigt, als ob er das, was Rote Krähe gesagt hatte, aus einer weiteren Blickrichtung überprüfen wolle. »Es kommt ja darauf an«, meinte er schließlich, »welche Art von Gewichten man trägt.
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