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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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den Sohn der Prärie, und sie wußte sich eins, so, als ob es nie anders hätte sein können, mit den Bergen und ihrem Innern; dem Reiche der Großen Bärin, in dem Inya-he-yukan geborgen lag, während sein Geist zu den Ewigen Jagdgründen wanderte.
    Hanska legte den Arm um Ite-ska-wihs Schultern.
    Sie war 14 Jahre; sie konnte schon eine Frau werden. Hanska war 17 Jahre, aber er hatte kein Tipi für Ite-ska-wih; er mußte eins schaffen, so, wie Inya-he-yukan ein Tipi für Queenie Tashina geschaffen hatte, als er mit leeren Händen auf die Reservation zurückgekehrt war. Wenn Hanska den zwanzigsten Winter erlebte, konnte es so weit sein, daß Ite-ska-wih seine Frau wurde und ihm Kinder gebar. Er mußte noch warten, und Ite-ska-wih wartete auf ihn.
    Der Fels war schön, der Baum war schön, die Erde war schön, das Gras war schön. Die Büffel brüllten einander zu. Aus einem Erdloch kam ein Präriehund heraus, machte Männchen und äugte.
    Die weißen Wolken und die grauen Wolken spielten am Himmel und jagten sich. Das war das Reich der Dakota; sie wollten es wieder besitzen und pflegen. Das Lächeln auf Hanskas Gesicht wurde kräftiger und währte länger. Nicht nur sein Mund lächelte; seine Augen leuchteten; Ite-ska-wih lächelte mit ihm. Die Kinder schmiegten sich an die beiden, an ihre älteren Geschwister.
    Die Büffel waren verstummt. Sie weideten. Vögel sangen ihre Liebeslieder. Von den Berggipfeln, die noch den Winterschnee trugen, kam die Luft herunter zu Mensch und Tier, unbeschwert von Staub, erfüllt vom Duft des Waldes und der Quellen.
    Man brach auf. Die Zeit war kostbar.
     
    Eines Morgens wurde das Ziel erreicht. Naß und verschmutzt stand der Jaguar im rieselnden Regen vor einem Ranchhaus im waldigen Hügelgelände.
    Vater Beaver, der das Geräusch des Motors gehört hatte und den Wagen kannte, kam heraus, um Hanska und seine Begleiter zu begrüßen. Er bat alle in sein Haus herein. Großvater und Großmutter, steinalt, Vater und Mutter, Frau und zahlreiche Kinder erschienen und freuten sich herzlich, Hanska wiederzusehen. Mit seinem Wahlvater Joe Inya-he-yukan und seinem Bruder Wakiya war er als Kind schon hier gewesen und hatte auf einem Jagdausflug Gefahren tapfer bestanden.
    Hanska erklärte kurz, wen er mitbrachte. Ite-ska-wih fühlte sich froh und beklommen, in leisem Widerstreit der Gefühle. Sie befand sich bei einer stattlichen Familie in einem stattlichen Haus auf einer stattlichen Ranch. Unterwegs hatte sie schon Vieh gesehen, das auch nach dem langen Winter noch ausreichend ernährt aussah. Die Pferde der Familie befanden sich im Corral nicht weit vom Haus.
    Die drei Kinder hielten sich zu Ite-ska-wih, aber wenn sie sprachen, sprachen sie Dakota, und Ite-ska-wih verstand sie nur durch Zeichen. Zunächst gab es auch nicht viel zu sagen. Man war den größten Teil der Nacht durchgefahren und sank schlafensmüde auf die Lager, die Mutter Beaver herrichtete.
    Hanska blieb aber noch auf und berichtete Vater Beaver mit sehr kurzen Worten, was geschehen war. Nur, wo sich der tote Inya-he-yukan befand, verschwieg er. Er bat um Asyl für die drei Kinder; er selbst und Ite-ska-wih wollten bald zurückfahren.
    Beaver hörte bedrückt zu. Alle hatten Joe Inya-he-yukan geliebt und seine Kühnheit bewundert; der Mord an seiner Frau Queenie Tashina erschien unfaßlich grausam, von gemeinster Gesinnung. Sanftmütig war sie gewesen; schön und geheimnisvoll wie das Mondlicht, voll Liebe zu Joe und ihren Kindern.
    »Warum habt ihr diesen Killerchief gewählt?« fragte Beaver zum Schluß des Gesprächs. Er sprach englisch. »Wir haben euch nie verstanden. Ihr seid doch Sioux-Dakota. War Wasescha nicht ein guter Chief-President für euch?«
    »Er war es.« Hanska fühlte sich sehr beschämt. »Er war zu gut in den Augen der Weißen. Sie waren auch aufgeschreckt durch das, was auf der Insel Alcatraz geschehen ist; Indianer haben sich verbündet; sie haben gewagt, ihre Rechte zu fordern. Und wenn sie auch die Insel aufgeben mußten, ihr Recht geben sie nicht mehr auf. Die Weißen haben gefürchtet, daß die Dakota sich neu erheben könnten. Darum haben sie Richard in ihrem College nach ihrem Sinne modelliert; er haßt sein eigenes Volk. Als er fit war für die Pläne der Weißen, haben sie ihm als einem Ratsmann erlaubt, einige Familien zu bestechen, mit Renten, für die sie ihr Land gaben, und viele in Schrecken zu versetzen; er ließ Bomben werfen und ihre Häuser niederbrennen. Der Rest des Stammes hat ihn

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