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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gewählt; sie haben die offene Wahl erzwungen und terrorisiert, nicht frei wählen lassen wie zu Väterzeiten. Selbst Joe Inya-he-yukan konnte die Gewalt und die Angst nicht verhindern. Nun rächt sich Richard an allen seinen Gegnern. Niemand ist mehr seines Lebens sicher, nicht einmal die Frauen und Kinder. Zwei Kinder sind ermordet worden. Richard hat sich eine Killergang organisiert. Die beiden Stammespolizisten machen mit, dazu ein paar gekaufte Profis. Auch dergleichen hat es in alten Zeiten nicht gegeben.«
    Nun war Vater Beaver getroffen. »Doch, Hanska, Unrecht hat es gegeben, nach der großen Niederlage vor fast hundert Wintern. Zwist im Stamm zur Zeit der Urgroßväter. Auch gegen Sitting Bull hat der Superintendent Laughlin die Stammespolizei schicken können.«
    »Aber das wird jetzt anders werden, Vater Beaver. Wir haben Verbündete. Der Killerchief wird abgesetzt. Hau.«
    »Möchte es euch besser gelingen als Alcatraz. Wir sprechen morgen weiter, Hanska. Ich denke auch, du solltest zumindest Ite-ska-wih hier lassen, wenn du nicht selbst bei uns bleiben willst. Unser Tipi steht für euch beide offen und für Joes Kinder. Du bist ein tüchtiger Viehhirt, und schon mit 12 Jahren hast du einen Rodeopreis gewonnen. Wir freuen uns, wenn du da bleibst. Morgen werden wir miteinander beraten, Hanska. Hau.«
    Hanska gab keine Antwort; sie wurde so schnell auch nicht erwartet. Vater Beavers Einladung war ein Schock für ihn. Aus den Woodhills waren zwei junge Männer zu den Aufständischen gestoßen. Hanska hatte noch mehr Brüder für den großen Kampf gewinnen wollen.
    Er ging in das als Schlafraum dienende Zimmer und legte sich zu dem achtjährigen Jungen, der mit offenen Augen auf ihn gewartet hatte. Die beiden jüngeren Kinder schlummerten an den Schultern von Ite-ska-wih. Das Mädchen lächelte im Schlaf; sie schien Wunderbares zu träumen.
    Der Morgen, der nach dieser Nacht heraufdämmerte, brachte so recht einen Tag zur Welt, »der die Augen krank macht«, wie die Dakota seit alters zu sagen pflegten. Der Wind peitschte den Sprühregen; die Märzluft reizte und griff an.
    Hanska schlief kaum. Er war als erster, noch im Dunkeln, auf und schon lange bei den Pferden, als Vater Beaver auftauchte. Beaver war ein großer, breitschultriger Mann mit einem etwas breiteren, mehr gerundeten Gesicht als die Langschädel der Familie King. Er hatte den dem berufsmäßigen Reiter eigenen Gang. Als Fünfzigjähriger war er noch immer der Chef-Cowboy auf seiner eigenen Ranch; seine zahlreichen Kinder erkannten seine Autorität bedingungslos an.
    »Wir können hier miteinander sprechen«, sagte er in der Dakotasprache zu Hanska, als die beiden allein miteinander waren. »Ich habe nachgedacht. Dein Wahlvater und deine Wahlmutter sind ermordet worden. Unser Stamm hat Schweres und Schmähliches unter dem Killerchief zu leiden. Die Watschitschun haben uns angelogen und betrogen und Hunderte von Verträgen mit uns gebrochen. Inya-he-yukan der Alte hat uns davon viel erzählt; er hat unsere Väter aus eurer Reservation befreit und hierher geführt in ein glücklicheres Leben. Nun willst du mit deinem Mädel und den Kindern von hier wieder weg, zurück in das Elend?«
    »Zurück zu denen, die alle unsere Stämme aus dem Elend befreien werden.«
    »Sie können euch alle zusammenschießen, wenn sie nur wollen.«
    »Sie werden nicht wagen, das zu wollen. Und wenn – wir sind auch bereit zu sterben.«
    »Das war einst die Sprache von Tashunka-witko und Tatanka-yotanka. Sie sind gefallen. Ermordet.«
    »Es ist auch meine Sprache. Unsere Sprache.«
    »Ich höre Joe Inya-he-yukan aus deinem Munde. Hanska – ich will dich nicht auf deinem Wege aufhalten. Ich kann dich nicht aufhalten, das weiß ich. Unsere beiden jungen Männer, die zu euch geeilt sind, als ein Mann namens Ken Mitchum sie rief, haben wir ziehen lassen. Aber ich bitte dich, Hanska, um eines: Du und dein älterer Bruder Wakiya waren mit Joe Inya-he-yukan bei uns, als ihr zu den Bergen der Adler gezogen seid. Damals bist du, ein Kind noch, sehr verzweifelt und verwirrt gewesen, weil die Watschitschun dich in ihrem Schulgefängnis gequält hatten. Der Geheimnismann vom Stamme der Siksikau hat dir den Weg gewiesen und dir gesagt, daß eine Bärenseele in dir wohnt, du wurdest ruhig und sicher, Mahto.«
    »Und ich brauchte nicht mehr in das Schulgefängnis zurückzukehren – dies erschien allen wie ein Wunder.«
    »Du hast dem Geheimnismann geglaubt. Bist du bereit, ihn

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