Das helle Gesicht
in die Prärie. Ite-ska-wih schüttelte es, wie ein Frost den Menschen schüttelt. Der Bub war der erste, der nach langem Schweigen den Mund auftat.
»Ist Mutter Tashina auch hier gewesen?« fragte er leise.
»Ja.« Hanska antwortete. »Hier hat unsere Mutter mit Joe Inya-he-yukan gerastet. Der Bach hat ihr Bild aufgenommen und ihr einen Fisch gegeben, die Bäume haben Schatten für sie geworfen, die Sonne hat sie geneckt. Sie war glücklich und konnte lachen. Ich denke, sie ist bei uns und freut sich mit uns. Ihre Liebe und unsere Liebe konnten die Killer nicht töten. Wir sind die Stärkeren.«
»Bleiben wir hier, Hanska, oder gehen wir wieder nach Hause?«
Hanska hätte antworten können: Wir haben kein Tipi mehr. Aber er fragte: »Was möchtest du denn?«
»Hierbleiben, Hanska.«
Hanska erinnerte sich an seine eigene Kindheit. Verzweifelt hatte er »hier« bleiben und nicht zurück in das Schulgefängnis gehen wollen. Aber dann hatte er Mut gefunden und Hilfe.
»Wir werden tun, was unsere Mutter Queenie Tashina und unser Vater Joe Inya-he-yukan sich von uns wünschen würden. Nur dann bleiben sie bei uns. Hau.«
Es war der Augenblick, in dem Hanska wußte, daß sein Entschluß, in den Kampf zu gehen, trotz aller Versuchungen fest blieb.
»Ja«, sagte Ite-ska-wih, die seine Gedanken gelesen hatte. Der Frost wich von ihr. »Dann habe ich dich lieb, Hanska.«
Sie scheute sich nicht, offen zu sprechen, ein Wort, so einfach wie das Gras, das grün wuchs und niemals anders.
Hanska lächelte. Sein Lächeln war gut, darum war es schön. Er stand auf, suchte am Ufer, fand den Überhang, den er nicht vergessen hatte, und griff in das Loch darunter, in dem Forellen zu stehen pflegten. Mit einer jungen, noch kleinen Forelle kam er zurück. Sie hatte Angst und wollte ihm entkommen.
»So jung und so klein«, sagte das Mädchen.
»Ja, zu klein für drei – die nicht gerade am Verhungern sind. Inya-he-yukan hatte damals eine sehr große mit bemoostem Rücken gefangen, und wir haben sie gebraten und gegessen. Aber diese soll leben, die kleine, wie der große Elch, den Inya-he-yukan der Alte und der Junge einmal gesehen und nicht geschossen haben, weil er zu prächtig war.«
Hanska ließ den nach Luft ringenden Fisch wieder ins klare Wasser gleiten, und die Forelle schoß den Bach hinunter. Ite-ska-wih und der Bub freuten sich. Es war wie ein gutes Zeichen. Die drei machten sich auf den Rückweg. Sie waren in ihrem Innern still, wiederum klar und einander durchsichtig; sie wollten nun keinen Tag mehr verlieren.
Als sie zu ihrem ersten Lagerplatz am rotgrundigen Bach zurückkamen, staunten sie über drei grasende Pferde und ein Tipi, das neben ihrem kleinen Jagdzeit und ihrem Wagen stand. Es war sorgfältig und reich bemalt wie ein Zelt eines Häuptlings oder Geheimnismannes. Hanska gab dem Mädchen und dem Buben ein Zeichen, mit ihm zu warten, bis der Herr des Tipi selbst öffnen werde.
Der Zeltspalt tat sich auf, und der Geheimnismann, den Hanska kannte, trat mit einem jungen Manne zusammen heraus. Hanska grüßte ehrerbietig und wurde eingeladen, mit seinen Begleitern in das Zelt zu kommen.
Ite-ska-wih hatte noch nie einem »Medizinmann« gegenübergestanden. Sie erschrak vor diesem Mann ebenso, wie Hanska als Kind vor ihm erschrocken war, denn seine Augen waren anders als die anderer Menschen, glänzend, durchdringend und undurchdringlich.
In der Mitte des Zeltes brannte ein gedecktes Feuer. Die Ankömmlinge hatten kaum Rauch aus der Öffnung an der Zeltspitze aufsteigen sehen. Aber sie sahen und rochen jetzt das röstende Fleisch am Spieß über der glühenden Asche. Der Boden war mit Fellen bedeckt; an den Zeltstangen hingen präparierte Tierbälge und eine kleine Trommel.
Der junge Mann nahm das Fleisch vom Spieß und teilte die Stücke aus; die Gäste aßen hungrig und fühlten sich in der Wärme allmählich heimisch. Der Geheimnismann rauchte eine Pfeife. Es dauerte lange, bis er ein Gespräch begann.
»Du hast dich entschieden, Hanska, ich erkenne es, und ich habe gewußt, daß du Ochguchodskina und dein Volk nicht verraten wirst.« Der Zauberer sprach englisch, da ihn seine Gäste sonst nicht hätten verstehen können; sie kannten die Sprache der Siksikau nicht. Nur den Namen Inya-he-yukan ›Stein hat Hörner‹ hatte er in seine eigene Sprache übersetzt.
»Stonehorn«, fuhr er fort, »war ein Mann der Geheimnisse, so stark wie ich. Seine Augen erkannten die Menschen und wurden von ihnen nicht
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