Das helle Gesicht
überblicken. Das weite Prärietal stieg ringsumher zu Bodenwellen auf, die vom Feind besetzt waren. Das Gras der Wiesen war kurz. Gebüsch und Bäume gab es wenig. Es hieß somit, günstige Nächte auszuwählen, wolkige, finstere Nächte. Es hieß, auf dem Bauche kriechen wie eine Schlange, etwa einen Strauch vor sich herschieben, Meter für Meter, mit Pausen; es hieß, die Augen überall haben, jeden Schatten erkennen, der einen Menschen, daher einen Feind andeutete. Wenn man durch den Belagerungsring der Feinde hindurchgelangt war, war das Ziel noch nicht erreicht, denn zwischen dem Ring der Militärpolizei und dem Lager der »Aufständischen« auf dem Hügel befand sich das freie Gelände der Talsenke.
Immer wieder wagten Frauen den gefährlichen Weg, um den Eingeschlossenen Nahrung und Medikamente zu bringen. Es gab nicht nur Hunger, es gab auch Kranke und Verletzte unter ihnen. Aber sie wollten nicht aufgeben, bis ihnen ihr Recht zugesagt wurde.
Hanska kroch ein kleines Stück allein als Kundschafter voran. Er trug den schwarzen Kordanzug Inya-he-yukans und die schwarzen Stiefel. So war er der Nacht am besten angepaßt.
Er horchte. Sein Gehör war so scharf wie das eines Wolfes. Die Belagerer verhielten sich ruhig, aber nicht so still, daß ein geübtes Ohr nicht ein Laufen, eine Wachablösung, eine geflüsterte Parole aufgefangen hätte. Ein Teil der Belagerer dachte offenbar ans Schlafen, und die Wachen für die weiteren Nachtstunden bezogen ihre Plätze.
Hanska war zu der Stelle geschlichen, an der er vier Wochen früher den Ring der Feinde mit Inya-he-yukan zusammen zweimal durchschlichen hatte, einmal auf dem Weg hinein zu den Aufständischen, einmal zurück, um auf die große Reise zu gehen und mehr Mitkämpfer zu werben.
Hier – ja – hier hingen noch die beiden entlaubten Büsche, wie sie im Herbst über die Prärie zu wirbeln pflegten; sie waren von Hanska und Inya-he-yukan als Deckung genommen und wieder zurückgebracht worden und waren an einem festsitzenden Strauch verhakt. Hanska gab die losen Sträucher Ite-ska-wih und Rote Krähe, die hinter ihm her kamen. Er spannte alle Sinne an, auch den Geruchssinn, um Feinde in der Nähe zu wittern. Es schien, daß die von Inya-he-yukan ausgemachte Stelle auch jetzt kaum bewacht wurde. Doch auf einmal fiel es einer Patrouille ein, diesen Weg zu nehmen und nicht weit von Hanska anzuhalten. Er rührte sich nicht, lag da wie ein Stein und atmete unhörbar.
Noch schauten die zwei Mann über die Senke weg nach dem Hügel der Belagerten. Hanska vergrub das Gesicht im Gras, damit auch seine Augen möglichst nicht zu sehen waren; sein loses schwarzes Haar konnte in der Dunkelheit wie Gras wirken.
Zwei Schüsse fielen, einer von seilen der Belagerer, ein Antwortschuß von der Seite der Belagerten. Die Aufmerksamkeit der Patrouille war von der nächsten Umgebung abgelenkt. Sobald sie weiterging, wollte er mit seinen Begleitern sofort durch den Ring hindurch.
Die beiden Polizisten setzten sich eben in Bewegung, als sie schon wieder stockten. – Es erklang ein schwer definierbarer Laut, dann leuchtete auf dem Hügel ein Feuerschein auf. Die beiden gestikulierten, riefen und liefen zu irgendeinem Ziel rasch fort.
Das war der Moment. Hanska wand sich geschwind am Boden voran; Ite-ska-wih und Rote Krähe folgten, Ite-ska-wih nicht mit derselben Sicherheit und Gewandtheit, aber doch geschickt genug, ihren Strauch als Tarnung vor sich herschiebend.
Der Feuerschein vergrößerte sich schnell.
Die kleine Kirche brannte. Das alte trockene Holz knisterte und krachte im Feuer; in der stillen Prärienacht war das Geräusch weithin zu hören. Die Flammen loderten hoch und immer höher. Als eine Fackel stand die kleine Kirche in der Nacht; der Turm war die zum Himmel reichende, glutrot flimmernde Spitze.
Niemand achtete auf die Stelle, an der Hanska mit Ite-ska-wih und Rote Krähe weiter wollte; sie konnten sich fast ungehindert bewegen. Rufe ertönten, auch ein paar scheinbar ziellose Schüsse. Das Feuer in der Nacht beschäftigte alle.
Hanska, das Mädchen und Krähe nutzten den Moment mit aller Kraft und Zuversicht auf das Gelingen ihres Vorhabens. Aber es schauderte sie auch. Denn das Feuer verzehrte die größte und beste der Unterkünfte für die Belagerten. Schutzlos war nun die Mehrzahl von ihnen der Kälte, der Nässe, den Märzstürmen ausgesetzt. Das Feuer konnte nicht gelöscht werden. Das Wasser dafür fehlte den Eingeschlossenen. Ohne Hemmung fraßen
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