Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
wolkenverdunkelten Nachthimmel, an dem nur drei Sterne Raum hatten, um zu der ihnen fernen Erde zu leuchten. Er schaute zu ihnen hinauf.
    Hanska wußte, daß sein Freund betete, und es mochte sein, daß er etwas erschaute. Hanska rührte sich nicht. Er lauschte auf den Wind. Als Rote Krähe wieder zu sich kam, ließ er die Arme sinken und gestand seine Vision: »Hanska, es ist Böses im Gange. Tatokala wird nicht kommen. Ich sehe böse Gedanken und böse Taten. Wir müssen gehen, auch wenn uns niemand führt. Laß uns gehen.«
    Hanska erschrak, obgleich er nur gehört hatte, was in ihm selbst als schlimme Ahnung umging.
    »Laß es uns versuchen, Bruder Krähe. Aber ich nehme dich und ich nehme Ite-ska-wih mit. Ray wird die Frauen und Iliff behüten. Er versteht mit Waffen umzugehen und hat Munition; er hat Karate gelernt, er hat den Schutz eines festen Blockhauses. Kein Killer kann ihn überwältigen. Wenn es uns gelingt, lebend in den Ring hineinzukommen, wird Ite-ska-wih auch wieder hinausschleichen können. Hetkala kommt mit uns, um die Pferde zu halten, bis Ite-ska-wih zu ihr zurückkehrt.« Hanska entfaltete diesen Plan nicht von ungefähr. Er hatte schon viele Stunden darüber nachgedacht, was getan werden könne, wenn Tatokala nicht kam und auch kein anderer Bote auftauchte.
    Da Hanska und Rote Krähe entschlossen waren, widersprach niemand im Blockhaus. Die Vorbereitungen wurden getroffen.
    Hetkala berichtete während des Aufbruchs noch einige Erfahrungen aus ihrem letzten Botengang zu den Aufständischen.
    »Die Langmesser«, sagte sie und meinte damit die Militärpolizei, »haben viele Lücken geschlossen und den Ring um unsere Brüder noch enger gezogen. Sie stellen sich auch jede Nacht ein wenig anders auf, so daß wir nie sicher sind, wo sie lauern. Du mußt anführen, Hanska. Der Wahlsohn Stonehorns hat wohl gelernt, Feinde zu entdecken und sie zu narren wie ein alter erfahrener Präriewolf den Jäger.«
    Hanska nickte.
    Ite-ska-wih packte Proviant zusammen, für jeden einen Beutel voll, den man über die Schulter nehmen konnte.
    Sie war sehr ruhig. Es ging in den Kampf.
    Hanska ritt den Schecken, Rote Krähe den Appalousa-Hengst, Ite-ska-wih die Appalousa-Stute, Hetkala die Fuchsstute. Zuerst hielt sich Hanska bei Ite-ska-wih. Er freute sich daran, wie sie lernte, mit dem Pferd umzugehen, und über ihre anmutige Haltung. Später schwärmten die Reiter in einer losen Gruppe durch die Nacht, um weniger aufzufallen. Die Gruppe ritt im Schritt, wenn sie nicht gehört werden wollte; sie ging zum Galopp über, sobald sie sich sicher fühlte. Die Straßen mied sie ganz.
    Gegen Morgen versteckten sie sich in einem kleinen mit Kiefern bestandenen Tal. Hier sollte Hetkala mit den Pferden bleiben. Des Abends wollten die anderen zu Fuß gehen. In der Gegend des Bigfoot-Trail wollten sie weiter wandern, in jener Richtung, in der Häuptling Bigfoot Männer, Frauen und Kinder vor fast einem Jahrhundert geführt hatte, damals, als die Watschitschun, die Geister, die Milahanska, die Langmesser, das Land geraubt und die Männer, die Frauen, die Kinder der Stammesgruppe Bigfoot niedergemetzelt hatten. Hetkala träumte des Nachts nach den erschreckenden Berichten ihrer Großeltern noch von den Schreien der Kinder, die aus ihren Verstecken hervorgelockt und erschossen wurden. Oben auf dem Hügel war das große Grab der Ermordeten. Oben auf dem Hügel stand die kleine Holzkirche, die über das geraubte Land und über das große Grab mit ihrem Weiß leuchtete.
    Dort hatten sich jetzt die »Aufständischen« gesammelt, die nach dem Recht der Menschen mit brauner Haut schrien, die die amerikanische Erde besiedelt und mit Ehrfurcht vor ihr als erste bewohnbar gemacht hatten. Sie verlangten nicht viel, nicht mehr als ihr Recht; nur daß die Verträge, die man nach fast vier Jahrhunderten Kampf endlich mit ihnen geschlossen hatte, wiederhergestellt und eingehalten wurden und daß der Killerchief sein Amt aufgeben müsse. Auf dem Hügel wollten sie aushalten, wollten der Kälte, den Entbehrungen trotzen, bis dem Indianer sein Recht wurde. Die kleine weiße Kirche war Unterkunft für sie geworden. In der Nacht, wenn der Mond nicht schien und die Wolken die Sterne verdüsterten, sah auch die Kirche dunkel aus.
    Hanska führte. Er kannte sich aus. Der Hügel war von einer flachen Talsenke umgeben; es war ein guter Platz, um sich zu verteidigen, die Senke war aber auch ein der Sicht ausgesetzter Platz, von Freund und Feind leicht zu

Weitere Kostenlose Bücher