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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bunkern der Kompanie- und Bataillonsgefechtsstände hörte man ihn, und man sah sich an, ungläubig, entsetzt, ratlos oder in ohnmächtiger Wut. Man löffelte seine Suppe aus Pferdeknochen und Sägemehl und tastete nach dem Brotbeutel, in dem die Feiertagsverpflegung kullerte. Genau abgezählt in die dreckigen, aufgerissenen, schwieligen Soldatenhände: Fünfundzwanzig getrocknete grüne Erbsen, sechsunddreißig weiße Bohnen, eine Vierteltasse Linsen. Ein fürstliches Essen, ein feudaler Neujahrsschmaus. Und die Stimme im Radio verlas die Grußbotschaft des Führers:
    »… Die 6. Armee muß aushalten. Wir werden sie entsetzen, das wird einstmals der glorreichste Sieg der deutschen Wehrmacht sein …«
    Auch Dr. Portner und Dr. Körner hörten die Silvestersendung des Großdeutschen Rundfunks. Sie operierten dabei. Während im Führerhauptquartier der Sekt kalt gestellt wurde, ging der Kampf um den ›Tennisschläger‹ weiter, wurden die Trümmer der Stadt immer wieder umgepflügt, schleppte man die zerfetzten Leiber in ununterbrochener Monotonie in die Keller. Unter den großen Worten von Heldentum und glorreichstem Sieg wurde gestorben und amputiert, geschrien und gefiebert, gebetet und geflucht.
    Dr. Portner sah kurz von seinem blutigen Küchentisch auf, als drei Männer in den OP-Keller traten, ein Offizier und zwei Unteroffiziere. Sie hatten wie in Friedenszeiten Koppel und Pistole umgeschnallt, einen nicht weiß gestrichenen Stahlhelm auf und bauten sich an der Tür wie zu einer Parade auf. Der Offizier, ein Oberleutnant, grüßte stramm.
    »Oberleutnant Barritz von der Feldgendarmerie-Staffel V Gumrak. Ich habe den Befehl, eine Verhaftung vorzunehmen.«
    Dr. Portner blickte wieder hoch. »Was haben Sie?«
    Er sah nicht, wie Dr. Körner wortlos seine Pinzette hinlegte, vom Küchentisch zurücktrat und seine Hände in die Waschschüssel tauchte. Es ist soweit, dachte er. Hoffentlich ist Wallritz längst jenseits des Kessels.
    »Sie haben einen Assistenzarzt Dr. Körner hier?«
    Dr. Portner blickte sich zu Dr. Körner um. »Was soll das, Körner? Man will sie verhaften? Wer denn? Ja, haben denn die Kerle in Gumrak Scheiße im Gehirn?!« Er hieb mit der Faust auf den Küchentisch. Der Verwundete, der darauf lag, spürte es nicht mehr. Er hatte einen Granatsplitter in der Brust und fieberte. »Was ist hier los?« brüllte Dr. Portner.
    Der Oberleutnant holte aus der Meldetasche einige Blätter. »Es liegt eine beeidete Anzeige vor, daß der Sanitätsfeldwebel Horst Wallritz und der Assistenzarzt Dr. Körner dem Funker Sigbart Wallritz, einem Bruder des Wallritz, zur Fahnenflucht mittels einer vorgetäuschten Verwundung verholfen haben …«
    Dr. Portner zog die Schultern hoch. Er fror plötzlich in dem überheizten, stickigen Keller.
    »Ist das wahr, Körner?« fragte er leise. »Halt, sagen Sie nichts … Das ist doch alles Dummheit!«
    »Nein. Es ist wahr, Herr Stabsarzt.«
    »Sie Rindvieh!« Dr. Portner ging auf den Oberleutnant zu. »Sie haben nichts gehört, Herr Oberleutnant.«
    »Leider doch, Herr Stabsarzt. Merkwürdigerweise ist auch der Sanitätsfeldwebel verschwunden.«
    »Er bekam einen Lungenschuß und blieb in Gumrak.«
    »Das glauben wir nicht. Die Anzeige –«
    »Scheiß auf die Anzeige!« schrie Dr. Portner. »Wer hat sie gemacht?!«
    »Der Feldwebel der Feldgendarmerie Emil Rottmann.«
    »Der ist ja selbst abgehauen!«
    »Nein. Er ist bei uns und wird als Zeuge gegen Dr. Körner bereitgehalten.«
    Dr. Portner wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Mein Gott, dachte er nur. Mein Gott! Er sah wieder zu Dr. Körner hinüber. Der band die Gummischürze ab und zog seinen zerschlissenen Rock an. Das Gefühl, den eigenen Sohn herzugeben, wurde übermächtig in ihm.
    »Was machen Sie denn, Körner?« brüllte er. »Ziehen Sie sofort die Schürze wieder an und arbeiten Sie weiter.«
    Der Oberleutnant der Feldgendarmen verstaute den Haftbefehl wieder in der Meldetasche. Er war verpflichtet, nach dem Paragraphen zu handeln, eine eigene Meinung war nicht gefragt.
    »Wir müssen den Verhafteten mitnehmen nach Gumrak«, sagte er steif. Dr. Portner hieb wieder auf den Tisch.
    »Nein!«
    »Herr Stabsarzt –«
    »Ich sage nein! Ich brauche meine Ärzte, um Menschenleben zu retten, nicht um sie erschießen zu lassen!«
    »Der Befehl –«
    »Lecken Sie mich am Arsch mit Ihrem Befehl!« brüllte Dr. Portner außer sich. »Ich weigere mich, meinen Assistenten herzugeben! Gehen Sie durch die Keller …

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