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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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los. Er hatte keine Zeit mehr, Vera zu benachrichtigen.
    Erstaunlicherweise ging alles gut. Sie sickerten durch die deutschen Linien, hielten sich an die Bahnlinie, die aus Stalingrad hinaus über Woroponowo nach Bassargino und Karpowskaja führt, und sammelten sich südöstlich der Talawoj-Schlucht in einem hügeligen Steppengelände. Hier stießen zwei Straßen zusammen … die eine kam von Pitomnik nach Stalingrad, die andere von Rossoschka … dort, an der Gabel der beiden Straßen, lagen zwei deutsche Panzer. Sie waren äußerlich noch unversehrt, nur innen klappte es nicht. Ihre Motoren waren irgendwie dem russischen Winter nicht gewachsen gewesen, oder sie hatten schlechtes Öl bekommen, die Kolben hatten sich festgefressen, und ehe man auf die Werkstattkompanien wartete, hatte man sie lieber im Schnee liegen lassen.
    In diese Panzer hinein setzte sich Kaljonin mit seinem Zug. Seelenruhig beobachtete er den regen Verkehr auf den beiden Straßen … die nach Pitomnik war der Leidensweg der Verwundeten. Tausende stolperten ihn entlang, fielen in den Schnee, starben, wurden von den Entgegenkommenden weggestoßen, niedergetrampelt, pflasterten mit ihren Leibern die Straße, ein Knüppeldamm aus gefrorenen deutschen Körpern, über den die anderen hinwegkrochen wie Riesenmaden … nach Pitomnik, zum Flugplatz, zur Hoffnung, doch noch einen Platz in einer Ju zu bekommen, hinauszufliegen aus der Hölle, die nicht heiß war, sondern bei 40 Grad unter Null zu Eis erstarrt.
    Nach Stalingrad hinein rollte von Karpowskaja der magere Nachschub. Autokolonnen mit Munition, Sprit und Verpflegung. Truppen, die rund herum im Kessel verlegt wurden und an den Fronten Karussell fuhren, vor allem Pioniere und die Sondereinheiten, die man aus dem arbeitslos gewordenen Eisenbahnern, Festungsbataillonen, Bautrupps, Werkstätten, Posteinheiten, Trossen aufgeriebener Regimenter und im Kessel geheilter Kranker gebildet hatte. Sie bekamen neue Namen, taktische Bezeichnungen, meist nach dem Namen ihres Kommandeurs, wie ›Gruppe Wille‹ oder ›Kampfgruppe Degenhardt‹, und wurden hineingeworfen in den aufgerissenen Rachen des Molochs Stalingrad.
    Drei Tage verbrachte Iwan Iwanowitsch Kaljonin mit seinem Zug in den beiden deutschen Panzern. In diesen drei Tagen stockte der Nachschub, und die Munitions- und Essenträger am Stadtrand warteten vergeblich. Um so mehr türmte sich das Material vor den beiden Panzern. Lastwagen brannten aus, im plötzlichen Feuer von allen Seiten wurden zwei neue Einheiten vernichtet, ehe sie überhaupt Stalingrad erreicht hatten … die Überraschung war so vollkommen, daß die Vernichtung schneller war als das Bewußtsein, vernichtet zu werden.
    Nach drei Tagen zog Kaljonin wieder zurück nach Osten in die Stadt. Als er sich bei seinem neuen Kommandeur meldete, bekam er ein Lob und einen Tag Urlaub, um Vera zu besuchen. Er traf sie nicht an. Nur die Pannarewskaja war wieder da, stand am Operationstisch und amputierte. Chefchirurg Sukow schlief auf einer Pritsche an der Wand, umgeben von stöhnenden Verwundeten. Er schlief wie ein Bär. Seit neunundvierzig Stunden war er auf den Beinen gewesen und hatte operiert, dann war plötzlich Olga Pannarewskaja wieder da, nahm ihm die Instrumente aus der Hand und operierte stumm weiter. Sukow war umgesunken wie ein gefällter Baum. Schon im Hinfallen auf die Pritsche schlief er.
    »Vera ist in Gefangenschaft gekommen«, sagte die Ärztin und hob die Schultern. »Man hat gesehen, wie zwei Deutsche sie aus den Trümmern zogen. Sie muß verwundet gewesen sein …«
    Kaljonin stand wie erstarrt. Wenn man mit einem Hammer auf das Hirn haut, ist es nicht so schlimm wie dieser Schmerz, der Kaljonin durchraste.
    »Danke, Genossin Kapitän, danke«, stotterte er völlig hilflos. Dann stolperte er hinaus an die frische Luft, setzte sich auf einen Mauerrest und sah lange hinüber zu den deutschen Stellungen.
    Was bin ich? dachte er. Bin ich ein Mensch, oder bin ich ein Held, oder bin ich ein Kommunist, oder bin ich ein Retter des Vaterlandes? So dumm kann man fragen, wenn einem das Herz schmerzt und die Brust zu klein wird, weil das Herz sich weitet, um schreien zu können. Iwan Iwanowitsch bekannte sich dazu, ein Mensch zu sein. Weiter nichts, nur ein Mensch. Aber ein Mensch, dessen Leben seiner Frau Vera galt und der sich nicht damit abfand, daß sie jetzt dort drüben irgendwo in einem Keller hockte und mißhandelt wurde.
    In dieser Nacht verschwand der Mladschij-Sergeant

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