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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Friedenszeiten ein Schreiner, und als er das Brett zur Seite schob, sah er die Apfelsinenkisten vor sich, greifnah und verwirrend duftend.
    So ähnlich erging es Knösel auch mit den anderen Dingen. Fast von selbst wurde er in Versuchung geführt. Am Ende des Erkundungsganges schleppte Knösel einen prallen Sack auf der Schulter und passierte damit die Kontrollen der Feldgendarmerie. Nur einer hielt ihn an.
    »Was ist im Sack?« fragte er.
    »Steine aus Stalingrad!« sagte Knösel. »Ein Juwelier in Berlin will se in Jold fassen und als Erinnerungsbroschen verkoofen …«
    Der Feldgendarm war so verblüfft, daß er Knösel weiterziehen ließ. Nun saß er auf seinem Sack in einem Haus, über sich drei russische MGs, allein, seine Kameraden suchend und im Herzen Wehmut wie ein ausgesetztes Kind. In der Nacht kroch er zurück zum Sanitätskeller. Von irgendeinem Haus her wurde er beschossen, es schlug mehrmals in den Sack ein, den er hinter sich herzog. Apfelsinensaft durchnäßte das Leinen.
    Knösel stürzte sich kopfüber in ein Loch und zog den Sack nach. »Ick preß mir die Apfelsinen selber!« schrie er. Dann wartete er, bis sich die Umgebung etwas beruhigt hatte, kroch aus dem Loch und tappte weiter durch die Trümmer.
    Nun war er wieder bei Dr. Körner, grinste ihn breit an und klopfte gegen den schmutzigen Sack.
    »Melden Sie sich bei Feldwebel Wallritz«, sagte Dr. Portner. »Er wird Sie einteilen. Was haben Sie da eigentlich in dem Sack?«
    »Fruchtsaft, Herr Stabsarzt.«
    »Raus!« brüllte Portner. Und als Knösel zur Tür schoß, rief er: »Halt! Sind Sie nicht der Fahrer von der 3. Kompanie?«
    »Jawoll, Herr Stabsarzt.«
    »Ihre Kompanie ist im Eimer?«
    »Jawoll.«
    »Sie werden Herrn Assistenzarzt Dr. Körner wieder nach Pitomnik bringen.«
    »Jawoll.« Knösels Gesicht glänzte. »Wenn ich noch zwei Mann und sechs Säcke mitnehmen könnte, Herr Stabsarzt.«
    »Warum denn das?«
    »Ick habe 'n Schlaraffenland entdeckt. Und eh det verdorrt –«
    »Raus!« sagte Dr. Portner milde. »Fragen Sie Wallritz, ob wir Säcke haben …«
    Beim Morgengrauen verabschiedete sich Dr. Körner von Dr. Portner. Sie standen am Kellereingang zwischen den Hausruinen. In der Stadt war es still. Dicker Nebel lag über den Trümmern und Gräben. Die Artillerie schoß nicht mehr, die Panzer und Kanonen standen irgendwo in Deckung und klebten vor Nässe. Dr. Portner hob den Kopf in das undurchsichtige Grau über sich.
    »Es wird bald Winter werden …« Er gab Dr. Körner die Hand und hielt sie fest. »Machen Sie's gut, mein Junge.«
    Dr. Körner nagte an der Unterlippe. »Ich mache mir Gewissensbisse«, sagte er leise.
    »Quatsch!«
    »Ich lasse Sie zurück, als wolle ich mich drücken.«
    »Sie unverbesserlicher Idealist. Hauen Sie ab!«
    »Sie werden die Arbeit nicht allein bewältigen können …«
    »Wallritz ist gut eingearbeitet. Er wird mir assistieren. Und wenn dieser Knösel zurückkommt, habe ich um die äußere Organisation keine Sorge mehr. Manchmal bestaune ich diesen Kerl wie ein Weltwunder. Vielleicht muß man tatsächlich ein Halbidiot sein, um auch im Krieg angenehme Seiten zu entdecken.« Er ließ Körners Hand los und gab ihm einen Stoß vor die Brust. »Los! Ab durch die Mitte, Körner! Und steigen Sie im ›Ostland‹ ab … sie haben damals, als ich dort wohnte, gerade neue Matratzen bekommen!«
    Er blieb stehen, bis Körner und Knösel im Nebel verschwunden waren. Hinter ihnen tappten noch zwei Leichtverwundete, die zusammengerollte Bündel unter den Armen trugen. Zehn Säcke für Knösels Schlaraffenland.
    Dr. Portner stand noch immer in den Trümmern, als schon lange die Schritte in dem breiigen Grau verklungen waren. Sein Sarkasmus war abgefallen, er hatte ein nacktes Gesicht, als habe es der Nebel ausgewaschen. Und dieses Gesicht war verfallen und alt, durchfurcht von dem Wissen, am Ende eines Lebens zu stehen, das einmal mit großen Plänen begonnen hatte.
    Durch den Nebel schwankten einige geisterhafte Gestalten. Zwischen ihnen wippten Tragen und pendelten gefüllte Zeltplanen. Das Knirschen ihrer Stiefel auf den Trümmern war der einzige Laut. Ein Geisterzug in einer toten Stadt.
    Dr. Portner steckte die Hände in die Taschen. Er würde wieder bis zum Abend operieren. Und ein neuer Granattricher mußte ausgesucht werden … vier waren schon als Massengrab zugeschüttet worden. Er stieg die Treppe hinab in den Keller und winkte Wallritz zu, der in einer Ecke hockte und aus einem Kochgeschirr

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