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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›Ostrowo‹ geschraubt war, lag ein nackter Rotarmist und wimmerte. Ein schmaler Mann beugte sich über ihn und schnitt ihm Fleischfetzen aus der Brust.
    »Sieg, Genosse!« grüßte Kubowski und setzte sich auf sein Feldbett. »Woher kommen Sie?«
    Der zartgliedrige Mann drehte kurz den Kopf herum. Große schwarze Augen sahen Kubowski an, ein schmales weißes Gesicht mit Dreckspritzern, ein weicher Mund, und unter der Mütze kurzgeschnittene schwarze Haare, die sich vor der Stirn etwas lockten. Kubowski schnellte von seinem Feldbett hoch.
    »Ja! Das ist … Sie sehen mich sprachlos, Genossin! Darf ich fragen, wer Sie sind?«
    Major Kubowski trat an seinen Kartentisch heran. Jetzt sah er auch die Rundungen unter der Uniformbluse. Er blähte die Nasenflügel wie ein witternder Hund und roch den leichten Duft eines Rosenparfüms.
    »Reden Sie nicht! Fassen Sie mit an, Major!« Die Stimme war hell, befehlsgewohnt und hart. »Drehen Sie den Genossen auf die Seite … die Kugel steckt noch in der Brust …«
    Kubowski tat gehorsam, wie ihm geheißen. Er reichte sogar aus einer Ambulanztasche die gewünschten Instrumente, aber er vergriff sich manchmal und reichte eine Schere, wenn die Frau eine Pinzette verlangte.
    »Sie sind verwirrt, Genosse Major«, sagte sie. »Oder kennen Sie keine Pinzette?« Dabei sah sie ihn aus ihren kühlen schwarzen Augen an, und Jewgenij Alexandrowitsch gestand sich ein, daß ein deutscher Flammenwerfer ihn nicht so heiß ausglühte wie dieser Blick.
    »Ich bin sprachlos, Genossin!« sagte er und kratzte sich die Nase. »Eben noch war ich in der Hölle, und jetzt spricht ein Engel mit mir!«
    »Sie haben noch reichlich unmoderne Ansichten, Major. Es wäre besser, wenn Sie den Körper unseres verwundeten Bruders ruhiger hielten, damit ich das Projektil fassen kann. So wie Sie den Körper schütteln, rutscht mir die Pinzette immer ab.«
    Es stellte sich nach dem Verbinden heraus, daß es sich um den Oberleutnant und Arzt Olga Pannarewskaja handelte, Feldarzt im Bezirk ›Tennisschläger‹. Sie war mit den Panzern nach vorn gekommen, um die Verwundeten im Wasserturm an Ort und Stelle zu versorgen. Die Geschichte Olga Pannarewskajas ist eine lange Geschichte. Sie beginnt in Stalino, wo sie geboren wurde, geht über Moskau und Tiflis, wo sie studierte, und endet in Stalingrad, wo sie den Werkarzt Pannarewski heiratete, einen beliebten Mann, der gleich am vierten Tag des großen vaterländischen Krieges fiel. Olga Pannarewskaja hatte als Ärztin weiterhin die Arbeiter von ›Rote Barrikade‹ betreut, und sie war, wie viele Frauen, in Stalingrad geblieben, als die Deutschen die Wolga erreichten und die Stadt von allen Seiten aufrollten. Sie hatte nur die Kleidung gewechselt, den weißen Kittel ausgezogen und die Uniform übergeworfen. Dann hatte es Krach gegeben, der Oberarzt hatte angeordnet, daß Genossin Olga nur in den Unterständen am Steilufer arbeiten dürfe. Aber als siebenundzwanzig Ärzte in den Trümmern verbluteten und die sowjetischen Soldaten nach Feldschern riefen, war sie hineingerannt in die Stadt und arbeitete seitdem im ›Tennisschläger‹ in dem Keller eines ehemaligen Magazins. Es war ein sicherer Keller, mit drei Betondecken übereinander. Hier operierte auch Majorarzt Andreij Wassilijewitsch Sukow, ein bekannter Chirurg aus dem Krankenhaus von Rostow. Das Funkgerät summte. Kubowski stülpte den Kopfhörer über. Der Kommandeur war am anderen Ende und fragte an, ob die Pannarewskaja angekommen sei.
    »Sie ist es, Genosse Oberst!« gab Kubowski Antwort.
    »Zurückschicken! Sofort!« kam der Befehl.
    Kubowski legte den Kopfhörer zurück. »Es ist schrecklich mit den höhergestellten Genossen«, seufzte er. »Sie gönnen einem nicht einmal mehr den harmlosen Anblick von Schönheit. Ich werde Ihnen einen starken Mann mitgeben, Genossin Leutnant. Da er jung verheiratet ist, scheint er mir ungefährlich …« Er ließ nach Kaljonin rufen und trat von einem Bein auf das andere. »Werden wir uns wiedersehen, Genossin?«
    »Wenn man Sie verwundet, bestimmt.«
    »Es wäre ein Grund, sich anschießen zu lassen. Aber ein gesunder Mann ist ein besserer Plauderer.«
    Olga Pannarewskaja sah Major Kubowski mit einem warmen Lächeln an. Oh, dachte Kubowski. Das ist ein Blick. Das Herzchen beginnt zu brennen, und was da in den Adern summt, ist kein Blut mehr. Ein Feuerstrom ist's, bei allen abgeschafften Heiligen!
    »Wie kann ein Held bloß so ein Dummkopf sein?« sagte das schwarze

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