Das Herz der 6. Armee
Gulasch löffelte. Die Feldküche des Bataillons, vier Keller weiter, hatte einen Kessel voll herübergeschickt.
»Kundschaft!« sagte Dr. Portner. »Und meine Portion Gulasch können Sie mitessen, Wallritz … ich habe heute keinen Hunger.«
Mit gesenktem Kopf ging er in den OP-Keller. Wenn Körner Glück hat, kommt er nicht wieder, dachte er. Hier wird es bald zu Ende sein. Und er hatte das Empfinden eines Vaters, der seinen Sohn für immer verabschiedet hatte.
Major Kubowski war in einer unschönen Lage. Er saß mit zwanzig Männern in einem alten Wasserturm und kam sich vor wie ein Wolf in einem brennenden Wald. Um ihn herum lagen deutsche Pionier- und Panzergrenadier-Kompanien. Ganz plötzlich war er in diese Lage gekommen. Vor einem Tag noch war der Rest des Wasserturmes ein gutes Befehlszentrum gewesen, in dem Jewgenij Alexandrowitsch Kubowski die Meldungen seiner Offiziere empfing, von Genossen des städtischen Verteidigungsrates besucht wurde und einmal sogar einen Genossen General begrüßen konnte, der mit einem Fernglas die deutschen Stellungen absuchte und zum Abschied sagte: »Genosse Jewgenij Alexandrowitsch – in wenigen Tagen sieht es anders aus! Großes bereitet sich vor! Ich weiß es vom Genossen Tschuikow. Im Donbogen wird es beginnen und gleichzeitig aus dem Brückenkopf von Beketowka heraus. Es kommt darauf an, daß Sie den ›Tennisschläger‹ halten, und wenn Sie sich mit den Zähnen festbeißen!«
Über Nacht wurde es anders. Überall waren die Deutschen durchgebrochen, und der Wasserturm Kubowskis wurde eine Insel, gegen die graue Wellen brandeten. Über zweihundert Tote hatte diese Nacht gekostet, und es war keiner mehr neben Kubowski, der nicht verwundet war. Über ein Funkgerät meldete er die Lage und fragte, was er tun solle.
Die Antwort kam sofort.
Aushalten!
Major Kubowski hielt aus. Jede Stunde zählte er die Munition und rechnete. Nach zwei Tagen waren die Brotbeutel leer, aus den Wasserkanistern lief kein Tropfen mehr.
»Es scheint so, als seien wir am Ende«, sagte er zu Iwan Iwanowitsch Kaljonin, der neben einem MG hockte und auf einem Stück Holz kaute. Das regte den Speichelfluß an und verhinderte ein Durstgefühl.
»Was sagt der Kommandeur?« fragte Kaljonin.
»Die Sowjetunion ist stolz auf euch!«
»Davon wird man nicht satt, Genosse Major.«
Kubowski überhörte es und starrte hinaus in die Trümmer. Man sollte durchbrechen, dachte er. In der Nacht. Es war immerhin eine Möglichkeit. Hier herumzusitzen und das letzte Magazin zu verschießen und sich dann wie eine Ratte totschlagen zu lassen, war für Kubowski ein nicht akzeptabler Gedanke.
»Wir brechen durch!« funkte er deshalb an die Befehlsstelle im ›Tennisschläger‹. Und der Genosse Oberst funkte sofort zurück:
»Genehmigt. Aber nach Westen!«
Dazu kam es nicht mehr. In der dritten Nacht, als die Handvoll Sowjetsoldaten, neben sich die letzten Munitionskästen, hinter den dicken Mauern des Wasserturmes lagen und auf die deutschen Pioniere warteten, als deutsche Pak Meter um Meter der Trümmer umpflügte und Kubowski sich ausrechnete, wann die Feuerwalze auch ihn erreichen würde, brachen aus zwei Straßen mehrere dunkle, donnernde Ungetüme hervor. Mit flammenden Rohren rollten sie über die Ruinen, durchstießen morsche Hauswände und wälzten sich geraden Weges auf die Häuser zu, in denen die Deutschen saßen und mit geballten Ladungen und einem Flammenwerfer versuchten, den stählernen Ungeheuern Einhalt zu gebieten.
»Panzer!« schrie Kaljonin und machte einen Luftsprung. »Genosse Major! Panzer! Sie machen uns Luft!«
»Benehmen Sie sich, Genosse Kaljonin«, sagte Major Kubowski würdevoll. »Sie tun ja so, als hätten Sie nicht an einen Sieg geglaubt …« Dann lagen sie wieder im Feuer deutscher MGs, sprangen aus ihren schützenden Mauern und rannten den Panzern nach, die, um sich feuernd, die deutschen Schützenlöcher niederwalzten.
Das Ganze dauerte eine knappe halbe Stunde. Dann stand der alte Wasserturm wieder ruhig zwischen Trichtern und Ruinen. Die alte Lage war wiederhergestellt. Major Kubowski ging aufrecht zu seinem Befehlsstand zurück.
In dem Raum, in dem das Funkgerät und in der Ecke ein Feldbett standen, auf dem Kubowski seit der Einschließung nicht mehr gelegen hatte, trug man die Verwundeten zusammen. Der Kartentisch war abgeräumt. Auf dem schmalen, selbstgezimmerten Tisch mit der Platte, die aus einer darübergelegten Tür bestand, an der noch das Namensschild
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