Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
und Java, das doch im Grunde so nahe war, wirkte unendlich weit entfernt.
Der dunkelste Schatten, der auf Jacobinas Paradies lastete, war die Tatsache, dass sie so lange nichts von Floortje gehört hatte. Sie wusste, sie hatte sie gleich zweimal hintereinander enttäuscht; das erste Mal, als sie den Besuch auf Rasamala nach ihrer überstürzten Abreise so kurzfristig abgesagt hatte, und das zweite Mal, als sie wegen des Umzugs nach Sumatra nicht bei ihrer Verlobungsfeier zugegen sein konnte. Auf den ersten entschuldigenden Brief Jacobinas hatte Floortje noch geantwortet und darin auch kein bisschen gekränkt geklungen; seit dem zweiten, der Floortje wohl erst am Tag der Feier selbst erreicht hatte, herrschte Schweigen. Das Schlimmste war die Ungewissheit, und es verging kein Tag, an dem Jacobina nicht an Floortje dachte und nicht darunter litt, dass das anfangs so zögerlich geknüpfte, danach feste Band der Freundschaft zwischen ihnen beiden zerrissen schien.
Eine Träne rollte ihr über die Wange und mischte sich mit dem Salzwasser auf ihrer Haut.
Wo bist du, Floortje?
25
Mutlos ließ sich Floortje in den von Feuchtigkeit verzogenen Rattanstuhl fallen, nahm ihren Hut ab und warf ihn zu ihrer Handtasche auf den benachbarten Stuhl. Ihr war heiß, und ihre Fußsohlen brannten; um Geld zu sparen, hatte sie sich angewöhnt, möglichst viele ihrer Wege zu Fuß zurückzulegen und nicht mit der Tram oder gar einem gemieteten sado zu fahren.
An der niedrigen Balustrade, die das Grundstück von der Straße des Noordwijk abgrenzte, lehnte der Kellner mit verschränkten Armen. Mit einem anderen Einheimischen, der sich auf die lange Sitzbank am Ufer des Molenvliet geflegelt hatte, hielt er ein lautstarkes malaiisches Schwätzchen. Er ließ sich auch nicht davon stören, wenn einer der Wagen, die den Noordwijk in gemächlichem Tempo entlangrollten, ihm für einige Augenblicke den Blick auf sein Gegenüber versperrte; er rief dann nur lauter über die Straße hinweg, um das Hufgeklapper und das Knirschen der Räder zu übertönen, und dämpfte seine Stimme unwesentlich, sobald er wieder freie Sicht hatte. Der Einheimische auf der Bank machte sein Gegenüber nun lachend und mit einem Kopfrucken auf Floortje aufmerksam. Der Kellner warf ihr einen Blick über die Schulter zu, und seine Miene verfinsterte sich; dennoch setzte er sich in Bewegung, kam über den spärlichen, zertretenen Rasen herüber und trat auf die Veranda mit den zersprungenen Steinfliesen.
»Ja?«, bellte er.
»Ein Glas Limonade bitte«, erwiderte Floortje. »Und …« Sie senkte ihre Stimme. »Und haben Sie vielleicht auch etwas Stärkeres – Whiskey vielleicht? Braucht auch nichts Besonderes zu sein.« Sie spürte, wie sich ihre Wangen färbten; sich nach dem Preis zu erkundigen wäre ihr zu peinlich gewesen, sie hoffte, der Whiskey würde erschwinglich sein. Wortlos schlurfte der Kellner davon.
»Oh, und könnte ich bitte noch die Zeitung bekommen?«, rief Floortje ihm hinterher, ehe er im Haus verschwand, ohne sie auch nur eines zweiten Blickes zu würdigen.
Floortje seufzte. Mit Bedauern dachte sie an das Hotel Des Indes zurück, an das Nederlanden , das Cavadino und das Grand Hotel Java . Orte, an die sie sich schon lange nicht mehr wagte. Einmal war sie seit ihrer Rückkehr aus dem Preanger noch im Cavadino gewesen, und prompt hatten am Nebentisch zwei Freunde von Edu gesessen, die bei ihrem Anblick getuschelt und gegrinst hatten, sodass Floortje die Flucht ergriff, noch bevor ein Kellner erschienen war, um ihre Bestellung aufzunehmen. Mittlerweile konnte sie sich den Luxus, dort zu essen oder auch nur etwas zu trinken, ohnehin nicht mehr leisten. Im Hotel de l’Europe war es bedeutend billiger, und abgesehen von der unfreundlichen Bedienung war es ein hübsches Plätzchen. Jenseits der noblen Seite des Molenvliet mit den teuren Hotels und den eleganten Geschäften, an deren Ende sich auch die Harmonie befand, lag das L’Europe am Gang Thiebault, einer kleinen Seitenstraße des Noordwijk, am Beginn des gleichnamigen Stadtteils. Die tropischen Baumriesen, die im Gärtchen des Hotels wucherten und angenehm kühlen Schatten spendeten, milderten den schäbigen Eindruck, den die Fassade unter dem verwitterten Schild bot, und das Sirren der Zikaden hatte etwas Heiteres und zugleich Beruhigendes. Immer, wenn Floortje hierherkam, hatte sie das Gefühl, für ein paar Stunden ihre Sorgen hinter sich lassen und durchatmen zu können.
Schrilles Lachen ein
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