Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
die Hoffnung gehegt, James könnte ihr verzeihen, sobald sich der erste Schock, seine Enttäuschung und sein Zorn legten; schließlich musste sie ihm doch etwas bedeutet haben. Zweimal hatte sie ihm geschrieben und keine Antwort erhalten; auf ihren dritten Brief hin hatte Marlies van Hassel sie in dürren Worten angewiesen, dies künftig zu unterlassen. Erst dann hatte sie wirklich begriffen, dass sie ihn verloren hatte, und in manchen Momenten tat es entsetzlich weh. Nicht wegen des geplatzten Traumes, seine Frau zu werden, sondern weil sie sich nach ihm sehnte. Nach seiner Nähe, nach seinen Küssen, einfach nur danach, bei ihm zu sein und ihn anzusehen.
Floortje atmete tief durch und nippte dann an ihrem Whiskey, spürte erleichtert, wie er ihre Kehle hinabrann, eine wohlige Wärme in ihrem Bauch verbreitete und schließlich dem beißenden Kummer die Schärfe nahm.
Das Hotel Boers , in dem sie am Gang Mendjangan untergekommen war, bot seine Zimmer an, wie in fast jeder Ausgabe des Java Bode . Mittlerweile wusste Floortje auch, warum, die Zimmer waren eng, stickig und abgewohnt, aber sie beklagte sich nicht; wenigstens war die Gegend ganz nett, und für einhundert Florin im Monat konnte man nicht viel mehr erwarten. Für den April und den halben Mai hatte sie gleich am ersten Tag aus dem Erlös von Hinnerk Helmstraats Armband bezahlt, aber nun fragte der Wirt fast jeden Tag nach den restlichen fünfzig Florin für diesen Monat, und allmählich gingen Floortje die Ausflüchte aus. Im Nachhinein tat es ihr leid, dass sie Edu tatsächlich den gesamten Schmuck zurückgegeben und nicht wenigstens ein Paar Ohrringe für sich behalten hatte, aufgefallen wäre es ihm bestimmt nicht. Dabei war sie nicht nur von Ehrlichkeit geleitet gewesen; viel zu groß war an jenem Abend die Angst gewesen, James könnte die Soldaten auf sie hetzen, die in Batavia die Funktion der Ordnungshüter innehatten. Zugetraut hätte sie es ihm, an jenem Abend und vielleicht auch noch danach.
Auch die Schifffahrtsgesellschaft, mit der sie im vergangenen Jahr nach Batavia gekommen war, inserierte in jeder Ausgabe; Floortje wurde jedes Mal wehmütig, wenn unter den Namen der Schiffe die Prinses Amalia aufgeführt war. Batavia zu verlassen und an einem anderen Ort noch einmal ihr Glück zu versuchen war ihr schon mehrfach in den Sinn gekommen; in Amerika vielleicht oder in Australien. Aber gleich wohin diese Reise auch gehen sollte, sie würde wenigstens zweihundert Florin für die billigste Schiffspassage brauchen. Geld, das sie nicht besaß, und noch weniger hatte sie welches, um in der ersten Zeit über die Runden zu kommen.
Floortje blätterte um und starrte ungläubig auf die Seite mit Nachrichten aus Java, den Niederlanden und dem Rest der Welt; sie war schon durch mit den Annoncen, ohne dass unter den wenigen Stellenanzeigen etwas für sie dabei gewesen wäre. Sie blätterte zurück und studierte noch einmal die Spalten mit den Inseraten. Ein junger Mann mit Erfahrung in Rechnungswesen und Buchhaltung wurde gesucht und ein Notariatsgehilfe. Mehr nicht.
Floortje nahm einen tiefen Zug aus ihrem Glas und dann noch einen; sie verschluckte sich beinahe an der großen Menge Whiskey in ihrem Mund. Die kribbelnde Hoffnung, mit der sie stets aufs Neue die Zeitung aufschlug, war wieder einmal viel zu schnell verstoben. Ein paar Mal hatte sie geglaubt, Glück zu haben, wenn Haushälterinnen oder Gesellschafterinnen gesucht wurden; mit Feuereifer hatte sie Bewerbungen geschrieben und aufgeregt auf Antwort gewartet, die fast immer postwendend kam: zu jung. Zu unerfahren. Keine Referenzen. Ins Blaue hinein war sie in Läden, Restaurants und Hotels vorstellig geworden und hatte ihre Dienste angeboten. Vergeblich. In einer Stadt, in der es ein Überangebot an einheimischen Arbeitskräften gab, von denen beständig neue von ganz Java und den anderen Inseln herkamen, wollte niemand eine junge Niederländerin beschäftigen, die man selbstverständlich besser bezahlen müsste und die gewiss auch nicht so fügsam war wie eine einheimische Frau; es nützte ihr auch nichts, wenn sie versicherte, für weniger Lohn als üblich arbeiten zu wollen. Und auch Floortjes Briefe an Hinnerk, an die Ter Steeges, Verbrugges und Rosendaals waren ohne Antwort geblieben.
Viel Geld war nicht mehr übrig aus dem Verkauf des Armbands, das wesentlich weniger eingebracht hatte, als sie erhofft hatte und es auch vermutlich wert war; noch ein, zwei Wochen, dann hatte sie keinen Cent
Weitere Kostenlose Bücher