Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
rührte Jacobina an.
»Frau de Jong und die Kinder sind aber dankbar, dass Sie jetzt mehr Zeit für sie haben«, wandte Jacobina leise ein; sie hatte nur eine vage Vorstellung davon, wie sich der Dienst des Majors tatsächlich gestaltete. Manchmal konnte sie ihn schon mitten in der Nacht aus dem Haus gehen hören, die Absätze seiner Stiefel laut polternd auf dem Fußboden und das Pferd im Stall hinter dem Haus unruhig wiehernd, bevor er Tage später wieder zurückkehrte, müde und verschwitzt in seiner Uniform mit umgehängtem Gewehr, Schwert und der Pistole im Holster; dann wieder war er mehrere Tage am Stück zu Hause, die er in solch legerer Kleidung verbrachte, wie er sie auch heute trug.
»Und das ist doch auch von Bedeutung, oder nicht?«, setzte sie verunsichert hinzu.
»Meinen Sie?« Einer seiner Mundwinkel hob sich, und er sah sie amüsiert von der Seite her an.
Sie lächelte. »Das weiß ich, Herr Major.«
»Dann glaube ich Ihnen das einfach mal«, gab er mit brummiger Freundlichkeit zurück.
Jacobina lachte leise und beobachtete die Kinder, die unermüdlich im Sand herumwühlten und gespannt danach Ausschau hielten, was ihnen die Wellen vielleicht vor die Füße spülen würden.
»Danke, Fräulein van der Beek«, hörte sie ihn dann sagen. »Für die Geduld, die Sie mit uns allen haben. Und dafür, dass Sie mit nach Sumatra gekommen sind.« Jacobina wollte etwas einwerfen, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Keine Widerrede! Das ist nicht selbstverständlich. Vor allem nicht unter den …« Seine Miene verfinsterte sich. »… unter den gegebenen Umständen.«
Jacobina strich sich verlegen eine Strähne hinters Ohr, die der Wind beharrlich in ihr Gesicht blies. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage der de Jongs bekam sie nur noch das hier übliche Gehalt einer Gouvernante, einhundertfünfundzwanzig Florin im Monat, aber das störte sie nicht weiter; hier auf Sumatra hatte sie kaum Gelegenheit, Geld auszugeben, und trotz der zurückliegenden Extravaganzen wie der Kleider von Rouffignac und ihrer Nachmittage mit Floortje bei Leroux war der Verdienst, den der Major auf ihr Konto bei der Javaschen Bank eingezahlt hatte, inzwischen zu einer ordentlichen Summe von weit über eintausend Florin angewachsen.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der Major sie eingehend musterte.
»Jan kann sich glücklich schätzen, eine Frau wie Sie zu bekommen«, fügte er dann leise hinzu.
Jacobina errötete bis über beide Ohren; sie zog die Knie enger zu sich heran und umschlang sie mit beiden Armen. »Woher …«
»Nun schauen Sie nicht so belämmert!«, fiel ihr der Major so barsch ins Wort, dass sie zusammenzuckte und ihre Röte sich vertiefte. »Jan und ich sind Freunde, natürlich hat er’s mir geschrieben!« Milder setzte er hinzu: »Wir waren uns aber auch einig, meiner Frau erst mal nichts davon zu sagen. Das würde sie nur aufregen. Sie wird sich dann gleich Sorgen machen, wo wir einen Ersatz für Sie herbekommen. Sie ist derzeit ohnehin ein wenig … dünnhäutig.«
»Danke«, flüsterte Jacobina und schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln.
»Keine Ursache«, erwiderte der Major und zwinkerte ihr zu. »Bleibt so lange unser kleines Geheimnis.« Er legte die Muschel in seiner Hand zu den anderen, stand auf und klopfte sich den Sand vom Hosenboden. »Dann sehen wir mal zu, dass mein Nachwuchs schwimmen lernt.« Nach ein paar Schritten wandte er sich zu Jacobina um und winkte sie zu sich heran. »Na kommen Sie! Oder können Sie nicht schwimmen?«
»Doch.« Um sich von der qualvollen Untätigkeit abzulenken, die einen betriebsamen Mann wie Julius van der Beek in der Sommerfrische erwartete, zu der ihn seine Frau jedes Jahrs aufs Neue nötigte, hatte er seinen ältesten Sohn bei der Hand genommen und war mit ihm ins Meer hinausgegangen, um ihm das Schwimmen beizubringen. Und da Bewegung im Salzwasser als der Gesundheit förderlich galt, hatte er später auch Jacobina dazugeholt. Wenn sie an all die Sommer in Zandvoort dachte, sah Jacobina immer sich und Henrik, später dann auch Martin, in den Wellen herumspringen und planschen. Als helle, unbeschwerte Tage voll unvermuteter Einigkeit mit ihrem älteren Bruder hatte Jacobina diese Zeiten noch in Erinnerung; Henrik, der mittlerweile selbst stolzer Vater eines Sohnes war, eines neuen Erben für das traditionsreiche Bankhaus Van der Beek.
Ein Bad in den Wellen schien verlockend; trotzdem hatte Jacobina Hemmungen, dem Major ins Wasser zu folgen, und
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