Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
paar Tische weiter ließ sie zusammenzucken. Ängstlich spähte sie hinüber und atmete erleichtert auf, als sie feststellte, dass das Gelächter nicht ihr gegolten hatte. Zwei Frauen saßen dort über einer eher sparsamen rijsttafel beisammen. Floortjes Magen zog sich hungrig zusammen; sie hatte heute noch nichts gegessen, vielleicht sollte sie doch eine Kleinigkeit bestellen. Essen gab es zwar auch in dem Hotel, in dem sie wohnte, aber nur als Pauschale, zwei Mahlzeiten am Tag für fünfundfünfzig Florin im Monat; ein stolzer Preis, vor allem, weil Floortje den Tag über unterwegs war, um Arbeit zu suchen. Lieber holte sie sich etwas in einer Garküche oder auf einem Markt, frugale Mahlzeiten in kleinen Portionen, aber billig, und besonders großen Appetit hatte sie ohnehin nicht mehr.
Sie betrachtete die beiden Frauen genauer und glaubte, sowohl die schlanke Rothaarige mit dem aparten Profil in einem enganliegenden grünen Kleid mit passendem Federhütchen und die üppig gebaute Blondine in Himmelblau hier schon einmal gesehen zu haben; Freundinnen offenbar, die sich manchmal zum Essen und zu einer ausgiebigen Plauderstunde hier trafen. Floortjes Magen ballte sich schmerzhaft zusammen, und Tränen traten ihr in die Augen. Jacobina fehlte ihr; sie hätte nie geglaubt, nach dem Tod ihrer Mutter und nachdem ihr Vater sie mit Piet verlassen hatte, noch einmal jemanden derart vermissen zu können. Jeden Tag dachte sie an Jacobina, deren letzten Brief, inzwischen zerknittert und abgegriffen, sie immer in ihrer Handtasche bei sich trug; der Brief, der sie an jenem Tag auf Rasamala erreicht hatte, der einer der schönsten ihres Lebens hätte werden sollen und der so schrecklich geendet hatte. Dutzende Male war sie versucht gewesen, ihr zu schreiben. Jacobina hätte vielleicht Rat gewusst, ihr möglicherweise sogar ein bisschen Geld geliehen, fürs Erste. Aber ihr zu beichten, dass James die Verlobung aufgelöst und sie aus dem Haus gejagt hatte, dafür schämte sie sich zu sehr; vor allem schämte sie sich, Jacobina den Grund dafür zu gestehen. Und lügen wollte sie nicht, nicht Jacobina gegenüber und auch sonst nicht mehr, denn Lügen und Heimlichtuerei hatten sie letztlich in diese hoffnungslose Lage gebracht.
Sie schrak auf, als der Kellner ihr stumm die beiden Gläser hinknallte und die Zeitung danebenklatschte.
»Vielen Dank«, sagte Floortje mit einem kleinen Lächeln. Doch der Kellner war bereits wieder davongeschlurft, um seinen Stammplatz an der Balustrade einzunehmen und sein Schwätzchen fortzusetzen.
Floortje griff nach der Limonade und trank das Glas in gierigen Zügen halb leer; sie holte tief Luft und wischte sich verstohlen mit dem Handrücken die Mundwinkel ab, bevor sie es wieder hinstellte. Aufrecht setzte sie sich hin, drapierte den Rock ihres hellen Kleids so zurecht, dass man möglichst wenig von ihren Füßen sah; dann schlüpfte sie unter dem Tisch aus den Schuhen und presste ihre glühenden Fußsohlen mit einem wohligen Seufzen auf die Steinplatten. Mit beiden Händen rieb sie nervös über ihren Rock, bevor sie zur Zeitung griff und sie aufschlug. Wie immer mit der aufgeregten Hoffnung, heute endlich eine Annonce darin zu finden, die für sie einen Ausweg bedeuten konnte.
Sorgsam studierte sie die Anzeigen im Java Bode . Das meiste davon bestand aus Reklame, für Wein aus Australien, Kondensmilch aus Holland und englische Oberhemden. Roter Bordeaux wurde angepriesen und Guano aus Peru, bei dem Floortje erst nach dreimaligem Lesen verstanden hatte, dass es sich um eine Art Dünger handeln musste, und der gleiche Händler bot auch Kristallzucker und Kaffee an. Van Vleuten & Cox inserierten Sonderangebote, J. Duret eine neue Lieferung Schuhe aus Paris, und wie in jeder Ausgabe fand sich auch in dieser wieder eine Annonce des Möbelgeschäfts Schüssler in Buitenzorg. Das echte Heineken Bier wurde angeboten und das von Salvator und irisches Stout. Nähmaschinen von Singer, direkt aus New York, Pianos sowie Sodawasser aus Groß-Karben bei Frankfurt am Main. Eine Näherin bot ihre Dienste an und ebenso zwei Modistinnen mit hervorragenden Referenzen. Ein Hund war entlaufen, und diverse Häuser waren zu vermieten. Der Stukkateur Cordelet warb für seine Arbeit, und Uhren aus Genève schienen ebenso beliebt zu sein wie Fromage de Gruyère und Eau de Cologne 4711 . Eine Annonce für Setzlinge der Cinchona-Bäume der Sorte Ledgeriana traf sie wie eine Faust in den Magen.
Einige Zeit hatte sie noch
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