Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
zögerte. »Es ist nur, dass …«
»Keine Ausreden, Fräulein van der Beek!« Er machte eine ungeduldige Geste. »Wahrscheinlich werden wir auch zu zweit alle Hände voll zu tun haben, die beiden Wasserflöhe zu bändigen.«
Jacobina lachte und erhob sich ebenfalls.
Der Major deutete zu den beiden Inseln hinüber. »Wenn Jeroen einigermaßen sicher schwimmen kann, nehmen wir uns alle zusammen ein Boot und fahren nach Krakatau hinüber. Es ist wunderschön dort, unberührter Urwald und Strände, die wie für Kinder geschaffen sind. Mit etwas Glück kann man dort weiße Papageien sehen. Der Legende nach hat der Klang ihres Geschreis der Insel den Namen gegeben. Manche sagen auch, er geht auf das alte javanesische Wort karkataka für Krabbe zurück, und davon gibt es tatsächlich viele auf der Insel.« Mit einem verhaltenen Schmunzeln sah er sie von der Seite her an. »Wenn es ein wirkliches Paradies gibt, dann dort, auf Krakatau.«
»Die drei Berge auf Krakatau … Sind das eigentlich auch Vulkane?«, fragte Jacobina, während sie neben ihm durch den Sand schritt.
»Aber ja.« Sein Schmunzeln vertiefte sich. »Ich kann Sie allerdings beruhigen: Seit Menschengedenken liegen alle drei in tiefem Schlaf. Wahrscheinlich sind sie inzwischen sogar erloschen.«
»Guckt mal!«, rief Jeroen und hielt ihnen beide Hände gefüllt mit Muscheln entgegen.
»Guck! Ida auch!«, kam das Echo seiner kleinen Schwester, deren Augen voller Stolz ob ihrer eigenen Handvoll glänzten und deren Wangen freudig glühten.
Der Major und Jacobina bewunderten den Fang gebührend, und Jacobina sorgte dafür, dass die Muscheln, säuberlich getrennt nach Jeroens und Idas, ein trockenes Bett hinter einem Sandwall bekamen, damit das Meer sich diesen Schatz nicht zurückholte, bevor sie alle vier ins Wasser hineinwateten.
Dort, wo Jeroen noch gut stehen konnte, tauchte der Major neben ihm ins Wasser ein und machte ihm Schwimmbewegungen vor, hielt den Jungen um die Leibesmitte, während dieser sich bemühte, seinem Vater nachzueifern, und Jacobina hielt Ida über Wasser, die es natürlich sofort ihrem Bruder gleichtun wollte. In seinem Überschwang strampelte und planschte das kleine Mädchen so wild umher, dass Jacobina im Handumdrehen tropfnass war. Einmal schluckte Ida einen tüchtigen Mundvoll des Salzwassers und bekam auch welches in die Augen; sie hustete und prustete und weinte, ließ sich aber schnell beruhigen und wollte sofort weitermachen. Der Spaß der Kinder an der Bewegung im Wasser und am Toben mit dem Vater und mit ihrer noni Bina artete recht bald in einer wilden Wasserschlacht im flachen Wasser aus, und ihr mehrstimmiges Gelächter hallte weit über den Strand hinweg. Es machte Jacobina glücklich zu sehen, wie der Major das Bad mit den Kindern genoss; seine Augen funkelten, er wirkte jünger und fast unbeschwert, während Jeroen und Ida geradezu trunken waren vor Glück.
Nur ein Gedanke trübte Jacobinas Freude: dass es Frau de Jong sein sollte, die hier mit ihrem Mann und ihren Kindern spielte und nicht sie, Jacobina, die Gouvernante und Hauslehrerin. Ihre Ausgelassenheit fiel vollends in sich zusammen, als sie an den kleinen Jagat dachte, der ebenso gut das Recht hätte, hier zu sein und mit seinem Vater und mit seinen Halbgeschwistern so sorglos herumzutoben. Jagat, der in seinem Kampong in Batavia geblieben war, während seine Mutter Melati nun hier auf Sumatra lebte und sich um Jeroen und Ida kümmerte, statt bei ihrem eigenen Sohn zu sein. Unvermittelt fühlte Jacobina sich den Tränen nahe. Sie stapfte aus dem Wasser und setzte sich in den Sand.
»Was ist, Fräulein van der Beek?«, rief der Major ihr zu, richtete sich auf und strich sich über das nasse Gesicht und das triefende Haar.
»Komm doch wieder rein, noni Bina«, drängte auch Jeroen.
»Jaaaaaaa!«, kreischte Ida und hopste im Wasser auf und ab.
»Ich hab genug für heute, danke«, wehrte Jacobina ab und sah schnell in die andere Richtung; es machte sie verlegen, wie der nasse Stoff von Hemd und Pyjamahose am Leib des Majors klebte, starke Knochen und feste, ausgeprägte Muskeln sehen ließ und auch sonst wenig der Phantasie überließ.
Ihr Blick fing sich an den Inseln von Sebuku und Sebesi und wanderte dann weiter, über die sanft geschwungene, gekräuselte Bahn hell leuchtenden Sandes, die den tiefgrünen Urwald und das blauschillernde Wasser einander nahe brachte und gleichzeitig trennte. Wie in eine andere Welt schien sich dieser Strand zu erstrecken,
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