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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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hat mich für gesund erklärt. Tauglich für die Ehe. Die Dosis war wohl zu niedrig , hatte er achselzuckend hinzugefügt. Quecksilberbichlorid, das als Wundermittel gegen Syphilis galt, bei starker Dosierung über einen längeren Zeitraum aber eine schleichende Vergiftung hervorrufen konnte und in zu großer Menge sehr schnell tödlich wirkte. Selbst bei einem Erwachsenen.
    Jan war dankbar gewesen, dass Doktor Dekker ein noch so junger und unerfahrener Arzt war, der sicher noch nicht viele Fälle von Denguefieber gesehen hatte, schon gar nicht bei weißen Kindern, von denen es ohnehin kaum welche in der Umgebung gab. Dankbar vor allem dafür, dass Ida offenbar kaum etwas davon abbekommen hatte.
    Hast du ihnen Quecksilber gegeben, Griet? Ein ums andere Mal hatte er sie leise gefragt und bei der Hand oder der Schulter genommen und leicht gerüttelt. Sag schon, Griet – hast du Jeroen und Ida Quecksilber gegeben? Schweigend hatte sie den Kopf zur Seite gedreht und nur leise in sich hineingeweint. Griet, antworte mir!
    Melati , hatte sie irgendwann gewispert, Melati war es. Sie hat meine Kinder auf dem Gewissen. Er hatte fester zugepackt, und seine eigene Stimme hatte ihm drohend in den Ohren geklungen. Das ist doch nicht wahr! Es sei denn, sie hat es von dir bekommen, und du hast ihr aufgetragen, es den Kindern zu verabreichen! Ein langgezogenes Wimmern war zwischen ihren zusammengepressten Lippen hervorgedrungen. Er hatte Fieber, Fieber wie noch nie, mit Fieber fängt es oft an, hat der Arzt gesagt. Erschüttert hatte Jan sie in seine Arme geschlossen und fest an sich gedrückt. Ich wollte ihn retten, Jan , hatte sie an seiner Schulter geschluchzt. Ich wollte meinen Jungen doch nur retten. Uns alle.
    Mit einem tiefen Ausatmen nahm Jan die Hände vom Gesicht. Er schob den Stuhl zurück, stand auf und begann, in seinem Zimmer auf und ab zu wandern.
    Im Zweifel für die Angeklagte , hatte van der Linden gesagt. Die, wie Sie sagten, eine unbescholtene junge Niederländerin ist. Und im Zweifel war es die einheimische babu , die sich vor Schuld und Scham selbst das Leben genommen hat. Nicht schön und schon gar nicht christlich, aber so sind die Dinge hier nun einmal.
    Erst Melatis Tod musste Dekker stutzig gemacht haben. Ob sie sich an den Dämpfen des aufgelösten Quecksilbers vergiftet hatte? Hatte sie es freiwillig eingenommen, weil sie das Gefühl der Schuld nicht ertrug, nachdem sie begriffen hatte, wie Jeroens Tod und das Pulver, das sie ihm hatte geben sollen, miteinander zusammenhingen? Oder hatte Griet es ihr gar verabreicht, unter Zwang oder heimlich, damit sie ihre Herrin nicht verriet? Ein Gefühl des Grauens kroch mit kalten Fingern über Jans Rücken, und der immer wieder durch die Nacht hallende Schrei des Vogels ließ die Haare in seinem Nacken sich sträuben.
    Beinahe tröstlich klang das Murmeln von Herrn van der Linden und seiner Frau von der Veranda zu Jan herauf. Es war ihr Haus, in dem er am Stadtrand von Buitenzorg lebte, mit seinem schmalen Salär konnte er sich kein eigenes leisten, schon gar nicht solch ein geräumiges mit großem Garten. Nächstes Jahr, wenn die van der Lindens zurück in die Niederlande gingen, würde es seines sein. Seines und das Jacobinas.
    Seine Blicke wanderten durch sein Zimmer, über das breite Bett und den überquellenden Bücherschrank, wieder zum beleuchteten Schreibtisch und dem Ausschnitt der Nacht, den das Fenster zeigte. Tintenschwarz zeichneten sich die Umrisse eines Flammenbaums ab, und bei Tag hatte man Sicht auf den Gipfel des Gedeh. Er hatte sich überlegt, in diesem Raum vielleicht einmal das Kinderzimmer einzurichten, weil es hier selbst bei großer Hitze einigermaßen kühl blieb.
    Ein Lächeln zuckte auf Jans Gesicht auf, als er an Jacobina dachte. An ihre erste Begegnung, als sie neben Ida hinter dem Hortensienstrauch gekauert war, so selbstvergessen, so uneitel. Wie unsicher und verlegen sie danach vor ihm gestanden hatte und dabei so bezaubernd ausgesehen hatte, schlank und hochgewachsen wie eine Weide in Sarong und Kebaya, das helle Haar ein wenig zerzaust. Mit ihrem eigentlich fast herben Gesicht, das jedoch eine ganz eigene Schönheit besaß. Ihre Augen waren es, die es so schön machten, lebendige, neugierige Augen. Seelenvoll . Ja, Jacobina hatte seelenvolle Augen. Und einen wunderschönen Mund, vor allem, wenn sie lachte, ein Mund, dessen Lippen so weich waren wie Weidenkätzchen. An jenen Abend auf der Veranda dachte er, als sie in Nachthemd und

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