Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
einem Armband aus geschnitzter und polierter Jade.
Floortje wickelte sich tiefer in ihren Morgenrock.
Morgen Abend sollte sie das alles tragen, wenn Kian Gie Besuch von einem Geschäftsmann erhielt und Floortje dabei an seiner Seite wünschte. Ich erwarte, dass du dich benimmst und nett zu unserem Gast bist , hatte er ihr zugeraunt und sie auf den Mund geküsst. Enttäusch mich nicht , hatte er mit einem Klaps auf ihren Po hinzugefügt und das Zimmer verlassen.
Floortjes Knie begannen zu zittern; mit wackeligen Schritten ging sie hinüber zum Frisiertisch und ließ sich auf den Stuhl fallen. Seit Kian Gie diese Bemerkung gemacht hatte, grübelte sie darüber nach, ob sie einfach nur hübsch aussehen und freundlich sein sollte – oder ob Kian Gie sie etwa für die Nacht seinem Gast überlassen wollte; allein bei dem Gedanken wurde es Floortje übel.
Vielleicht spielte er auch nur mit ihrer Angst, wie er es manchmal tat, aber schließlich hatte er sie in seinem Zorn auch an John Holtum verkauft. Ohne dass er ahnen konnte oder je erfahren hätte, welches Geschenk er ihr damit gemacht hatte.
Floortje zog eine der Schubladen der geschnitzten Spiegelkonsole auf und kramte aus der hintersten Ecke die rote Stoffblüte hervor, die sich mittlerweile klamm anfühlte und muffig roch. Blümchen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sie in ihrer hohlen Hand hielt und ihre Haut schmeicheln ließ.
Ihr Blick fing sich an ihrem Spiegelbild, und das Lächeln erstarb. Augenscheinlich sah sie aus wie immer, vielleicht ein wenig schmaler im Gesicht, die Augen ein bisschen trauriger – und doch erkannte sie sich nicht wieder. Was ist nur aus mir geworden?
Sie wollte sich selbst nicht mehr in die Augen sehen müssen, und doch konnte sie den Blick nicht abwenden. Unvermittelt packte sie die Schmuckschatulle und schleuderte sie vorwärts. Es klirrte, und unter metallenem Rieseln fielen die Splitter des Spiegels auf den Frisiertisch.
Floortjes Augen füllten sich mit Tränen und erfassten dann eine große Spiegelscherbe unmittelbar vor ihr.
Seit drei Tagen fragte sie Kian Gie nach Jacobina, jedes Mal, wenn er zu ihr kam oder sie zu sich bestellte, und bat darum, dass er ihr half, mit Worten ebenso wie mit ihrem Körper. Vielleicht, meine süße Fleur. Wenn du lieb genug bist , vertröstete er sie jedes Mal, und allmählich keimte die Ahnung in ihr auf, dass er gar nicht daran dachte, etwas für Jacobina zu tun. Für ihn war es nur ein Spiel, eines von vielen.
Wie von selbst streckte sich Floortjes Hand nach der Scherbe aus, und sie nahm sie vorsichtig an sich. Eine unbändige Lust überkam sie, die Spitze der Scherbe mit voller Wucht in Kian Gies Hals zu stoßen. Oder besser noch in sein Herz. So er denn eines hatte.
Dann fiel ihr Blick auf die Hand, die noch immer die rote Blüte umschlossen hielt, und auf das Handgelenk, das der hochgerutschte Ärmel des Morgenrocks enthüllte, ein schmales, blasses Handgelenk, die blauen Venen unter der dünnen Haut gut sichtbar. Ein einziger Schnitt, und es wäre bald vorbei.
Nie wieder würden Männer sie benutzen können wie ein Spielzeug. Nie wieder müsste sie sich schämen oder ekeln oder vor Schuld zergehen. Sie würde nicht mehr von einem Gefühl der Ohnmacht überwältigt werden, wenn sie an Jacobina dachte, und keine Angst mehr um sie haben. Sie würde überhaupt keine Angst mehr haben müssen.
Der Sog der ewigen Finsternis lockte und umschmeichelte sie. Die Verheißung von Stille, Frieden und Geborgenheit, irgendwo in der Schwärze des Nichts.
Nur ein einziger Schnitt.
IV
Nacht ohne Morgen
a
Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen
vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra.
Erstes Buch Mose 19, 24
43
Der Geruch des Räucherwerks auf dem Altar mischte sich mit dem frischer Blüten und empfing Floortje schon auf der Treppe, die sie schwungvoll, aber ohne Eile hinabging. Freundlich nickte sie einem der Hausdiener zu, der dabei war, die Blütenzweige in der hohen Bodenvase neu zu arrangieren. Er nickte zurück und blickte sogleich misstrauisch, als Floortje die Halle durchquerte und die Eingangstür aufzog, versuchte aber nicht, sie aufzuhalten.
Die Sonne stach ihr grell in die Augen, und Floortje musste blinzeln. Während hinter ihr der Türflügel zufiel, räkelte sie sich ausgiebig und schüttelte mit zurückgelegtem Kopf ihr Haar aus, das sie offen trug bis auf ein paar dicke Strähnen, die sie am Hinterkopf zusammengebunden hatte. Mit keckem Hüftschwung, der
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