Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Sonne, die tausendfach auf den Wellen aufblitzte, und freute sich an der gekräuselten blauen und türkisgrünen Weite, die sie umgab. Immer wieder spritzte Gischt am Bug und an der Reling des kleinen Schiffs auf und versprühte regenbogenfarbene Fünkchen. Es tat gut, im Freien zu sein, nach den mehr als zwei Monaten, die sie fast ausschließlich in Kian Gies Haus verbracht hatte.
Im Hafen von Batavia hatte sie immer noch ängstlich nach Kian Gie Ausschau gehalten; jeder Chinese, der sich ihr näherte oder auch nur flüchtig in ihre Richtung sah, hatte sie fürchten lassen, er sei womöglich einer von Kian Gies oft beschworenen Leuten, der sie wieder einfangen wollte. Und auch als der Kahn mit erst stotternder, dann röhrender Maschine endlich ablegte und Kurs nach Westen nahm, hatte sich Floortje ständig umgesehen, um sich zu vergewissern, dass ihr niemand folgte.
Nach und nach jedoch hatte die Aussicht sie in ihren Bann gezogen und sie vergessen lassen, dass sie auf der Flucht war. Und die Anwesenheit zweier Herren in hellen, eher praktisch denn vornehm zu nennenden Anzügen, die umfangreiches Gepäck mit sich führten, sowie der Besatzung des Kahns, die aus drei Einheimischen bestand, barfuß, in Wickelrock, Hemd und mit einem gemusterten Tuch um den Kopf, trug ebenfalls zu ihrer Beruhigung bei. Wenn sie auch den neugierigen Blicken der beiden Herren ihr gegenüber auswich; ihr war nicht nach einer Unterhaltung zumute und schon gar nicht danach, sie näher kennenzulernen. Männern gegenüber empfand sie mittlerweile eine gewisse Scheu, die schnell in Unbehagen oder gar Angst umschlagen konnte.
Ein glückliches Lächeln schien auf ihrem Gesicht auf, während die Palmenhaine und saftigen Regenwälder entlang der Strände an ihr vorbeizogen, die bunten Fischerboote und die kleinen Dörfchen mit ihren Dächern aus getrocknetem Blattwerk. Ihr Lächeln vertiefte sich, als sie an einer paradiesischen Insel vorbeifuhren, aus deren üppigem Grün drei Bergkegel in sanftem Graublau und Zimtbraun emporwuchsen. Wie der Größe nach aufgereihte Perlen lagen unmittelbar dahinter zwei weitere Inseln im blauschillernden Wasser, und Floortje konnte schon die Küstenlinie Sumatras erkennen, in dunklem Grün, weißem Sand und zartblauen Berggipfeln, die Konturen vom Dunst sanft verwischt.
Ein ohrenbetäubender Knall dröhnte über das Wasser. Die Luft erbebte, vibrierte in den Gehörgängen und ließ Floortjes Körper erzittern. Ruckartig zog sie den Kopf ein und spähte ängstlich auf dem Deck umher. Auch die beiden Männer waren zusammengefahren, und wie die drei Bootsleute starrten sie aus geweiteten Augen auf einen Punkt irgendwo hinter Floortje. Sie wandte sich um.
Aus dem vordersten Bergkegel der großen Insel schoss eine weiße Rauchsäule empor und hielt zielstrebig auf den blauen Himmel zu; darunter quoll eine Wolke hervor, dunkel, beinahe schwarz, und begann sich schnell auszudehnen.
»Orang Alijeh«, murmelte einer der einheimischen Männer, und als er Floortjes Blick, ebenso furchtsam wie fragend, auffing, schüttelte er mit grimmig verzogener Miene den Kopf. »Nigt gut.«
Floortje drehte sich wieder um; ihre Aufmerksamkeit war gänzlich gefesselt vom Schauspiel dieses Pfeilers aus Rauch, der sich an der Spitze aufzuspannen begann wie ein Schirm, während an seiner Basis dicke weiße Wolken über die Flanken des Berges hinabstürzten und schwarze Schlieren aus Rauch und Staub durch die Luft zogen.
Mit einem erschrockenen Laut klammerte Floortje sich an der Reling fest, als das Boot jäh krängte und dann ruckartig auf und ab schwankte. Obwohl es so gut wie windstill war und ein solch schöner, sonniger Tag, siedete und strudelte das Wasser und schlug um sich wie ein trotziges Kleinkind.
Jacobina kauerte auf dem schmalen Bett und starrte vor sich hin. Irgendwo wurde ein Fest gefeiert; durch das vergitterte Fensterloch über ihr drang aus der Ferne die leise Melodie eines gamelan zu ihr, die rhythmischen Klänge der Schlaginstrumente aus Holz, das Scheppern und Klingeln der Gongs und Schellen, durch die Entfernung bruchstückhaft und unzusammenhängend. Vielleicht von dem neuen Markt in einem Kampong ganz in der Nähe von Ketimbang, zu dessen Eröffnung die Beyerincks gefahren waren; das hatte der Contrôleur erzählt, als er heute Morgen kurz bei ihr vorbeigeschaut hatte. Er kam jeden Tag mindestens einmal vorbei, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen und zu berichten, was es Neues gab. Heute, an ihrem
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