Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
käme. Falls – ja, falls …
Jacobinas Lider wurden schwer, und ihre Augen schlossen sich. Sie glitt hinüber in einen leichten Schlummer, in dem ihr Kopf unruhig ruckte und ihre Brauen sich anspannten und zusammenzogen. Von Jeroen träumte sie, wie er schrie, wie er sich krümmte und wand und hustend einen Schwall dieses entsetzlichen Breis nach dem anderen erbrach, schwarzbraun und klumpig wie Kaffeesatz. Im Zwielicht aus Nacht und Lampenschein so finster wie das Pech, das an Jacobinas Händen klebte, so sehr sie auch mit Wasser, Seife und Bürste schrubbte, selbst als sie verzweifelt begann, sich die Haut an den Händen aufzukratzen und abzuziehen. Sie sah auf, und Margaretha de Jong stand vor ihr, Sarong und Kebaya flatternd im Wind, und voll kalten Zorns durchbohrten ihre blauen Augen Jacobina. Ich habe dir vertraut, und du hast mir alles genommen. Erst meinen Mann. Dann mein Kind. Du Mörderin. Mörderin!
Wie eine Ohrfeige, die ihr den Kopf vor Schmerz explodieren ließ, zerriss ein dröhnender Schlag den Tag. Jacobina schrie auf und fuhr hoch. Der langgezogene Nachhall, so tief, dass er kaum zu hören war, aber den Leib in Schwingung versetzte, ließ die Türen in den Angeln klappern und irgendwo Glas klirren. Keuchend setzte sich Jacobina auf und fuhr sich über das schweißnasse Gesicht; ihr Herz galoppierte so schnell, dass es wehtat.
Das Tageslicht in der Kammer schien sich von den Ecken her zusammenzuziehen und dabei zu schrumpfen; als ob eine gewaltige Kraft draußen die Helligkeit durch das vergitterte Fenster einsog, wurde es dunkel. Verblüfft starrte Jacobina zu dem Loch in der Mauer hinauf. Die Abenddämmerung konnte es nicht sein, die kam mit goldenem Widerschein und bläulichem Hauch; das hier sah aus, als ob massige Wolken die Sonne verschluckten und ein bleiernes Grau dafür abluden. Wie vor einem besonders schweren Gewitter, und mit jedem Herzschlag Jacobinas wurde es finsterer, beinahe Nacht. Als ob die Welt unterginge.
Nackte Angst packte sie; sie sprang vom Bett herunter und rannte zur Tür.
»Hallo! Ist da jemand?!«, rief sie und hämmerte mit der Faust gegen das Holz. Sie hielt kurz inne und lauschte. Nichts. Sie trommelte weiter gegen die Tür. »Ist da jemand?! Hört mich wer?! Hallo!« Sie schrie und brüllte und hieb gegen das Holz, bis sie heiser war und ihre Hand schmerzte.
»Hallo«, schluchzte sie noch einmal verzweifelt und schlug ein paar Mal kraftlos mit der flachen Hand dagegen, dann ließ sie sich weinend zu Boden sinken.
Als ob ein ganzes Lager an Schwarzpulver in die Luft flog, so heftig war der Schlag, den Floortje hinter sich hörte, kaum dass sie aus dem Dampfkahn geklettert war und die ersten Schritte durch den belebten Hafen von Ketimbang gemacht hatte. Sie schrie auf, duckte sich und warf schützend die Hände über ihren Kopf. Einige Herzschläge lang war sie wie taub; dann erst löste sich das wattige Gefühl in ihrem Kopf auf, und die durcheinanderrufenden, schreienden und brüllenden Stimmen drangen zu ihr durch. Zitternd richtete sie sich langsam auf und wandte sich um. Die Rauchsäule über der Insel, weiß und schwarz durchzogen, blähte sich auf, bis sie barst; der Rauch stieg in dicken Knäueln auf, die tanzten und wirbelten, sich ausdehnten und zerplatzten und neu zusammenballten.
Reglos stand Floortje da; sie schluckte nur hart, als die weich aussehenden Knäuel und Kringel aus Rauch wieder herabsanken, nach allen Seiten davonrollten und die Bucht mit Düsternis füllten, während es am Himmel schwarz heraufzog. Ihre Augen folgten der Dunkelheit, die ans Ufer heranglitt wie eine tiefe Abenddämmerung, die es besonders eilig hatte; dann fiel ihr Blick aufs Wasser. Wie von unsichtbaren Händen aufgepeitscht, schwappten Wellen sprunghaft hoch, in einem Meer, das mit einem Mal nicht mehr blau war oder türkisen, sondern schwarz wie Tinte. Kleine Flöckchen tanzten vor Floortjes Gesicht herum; sie streckte die flache Hand aus, und als einige davon sich darauf niederließen, betrachtete sie diese genauer. Sie sahen aus wie Asche.
Floortje wirbelte herum und marschierte zügig voran, zwischen den Männern in den bunten Wickelröcken hindurch, die entweder ihre Boote zu wassern versuchten oder im Gegenteil möglichst weit aufs Trockene bringen wollten. Vorbei an den Frauen, die kreischend ihre Siebensachen zusammensuchten, schnell ihre Kinder bei der Hand nahmen oder sie sich auf die Hüfte setzten und losliefen. Floortje ließ sich vom Strom der
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